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Neues zur Witwenrente: Das Bundesarbeitsgericht lehnt 10-jährige Ehedauer als Voraussetzung für Anspruch auf Witwenrente ab.

26. April 2019

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 19.02.2019 (Az. 3 AZR 150/18) eine weitere Entscheidung zum Thema „Eheklauseln bei betrieblicher Altersversorgung“ gefasst. Diesmal ging es um die Ehedauer als Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenrente.

Die betriebliche Altersversorgung umfasst nicht nur die Alters- sondern oft auch die Invaliditäts- und Hinterbliebenenrente. Insbesondere die Versorgung der hinterbliebenen Ehegatten ist aber häufig durch entsprechende Klauseln eingeschränkt. Diese Regelungen betreffen den Zeitpunkt der Eheschließung, die Altersdifferenz zwischen den Ehegatten sowie die Ehedauer zum Zeitpunkt des Todes des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers. Mit den Eheklauseln versuchen Arbeitgeber insbesondere den Missbrauch der Witwenrente durch die Schließung sogenannter „Versorgungsehen“ zu verhindern. Solche Klauseln wirksam zu vereinbaren, gelingt nicht immer, wie der aktuelle Fall zeigt.

Bisherige BAG Rechtsprechung zu Eheklauseln

Die Wirksamkeit von Eheklauseln war bereits mehrfach Gegenstand der Entscheidungen des BAG.

Die Erfurter Richter haben z.B. 2017 bezüglich einer sog. Späteheklausel (3 AZR 781/16) entschieden, dass die Hinterbliebenenversorgung als eine „Form der Altersrente“ vom § 10 S. 3 Nr. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umfasst wird. Nach dieser Norm ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Bereich der betrieblichen Altersversorgung in Ausnahmefällen zulässig, wenn sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Im konkreten Fall knüpfte der Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung an das Erreichen des 65. Lebensjahres durch den Arbeitnehmer. Das BAG führte aus, dass diese Beschränkung des Anspruchs auf Witwenrente dem legitimen Zweck der Kalkulierbarkeit des Versorgungsrisikos Rechnung trägt. Sie knüpft darüber hinaus an diejenigen Altersgrenzen an, die für den Bezug der Betriebsrente gelten. Damit war der konkrete Ausschluss von der Witwenversorgung legitim, angemessen und erforderlich und somit gem. § 10 S. 3 Nr. 4 AGG zulässig.

Mit der Zulässigkeit sog. Altersabstandsklauseln, die eine Kürzung oder sogar den Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente bei besonders großem Altersabstand zwischen den Ehegatten vorsehen, befasste sich das BAG u.a. in der Entscheidung vom 11.12.2018 (Az.: 3 AZR 400/17). Konkret sah die Klausel in diesem Fall vor, dass der Arbeitgeber ab einem Altersabstand zwischen den Ehegatten von 10 Jahren die Witwenrente kürzen konnte. Das Gericht nahm an, dass eine solche Versorgungsbeschränkung trotz der Benachteiligung der älteren Arbeitnehmer zulässig ist. Bei diesen Ehen besteht typischerweise ein höheres Risiko, dass der jüngere Ehepartner den älteren überleben und Leistungen aus der Hinterbliebenenversorgung länger beanspruchen wird, als dies bei ähnlich alten Ehepartnern der Fall ist. Das durch die Altersabstandsklausel verfolgte Ziel, dieses finanzielle Risiko zu reduzieren, sah das BAG als legitim an. Von dieser Entscheidung berichteten wir am 12. Dezember 2018.

Ehedauer als Anspruchsvoraussetzung

In dem aktuellen Fall stellte sich die Frage, ob eine Regelung zulässig ist, die den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung von der Ehedauer abhängig macht. Konkret bestand die Ehe zwischen der Klägerin und dem ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten zum Zeitpunkt seines Todes 3 Jahre und 9 Monate. Aufgrund der im Pensionsvertrag vorgesehenen Ehedauer von mindestens 10 Jahren verweigerte die Beklagte die Zahlung der Witwenrente. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg. Eine derartige Ehedauerklausel stellte nach Auffassung des LAG Hessen (6 Sa 486/17) weder eine Diskriminierung des ehemaligen Arbeitnehmers wegen Alters gem. § 7 Abs. 1 AGG dar, noch benachteilige sie ihn unangemessen i.S. des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

10 Jahre Mindestdauer sind zu viel

Dieser Auffassung erteilten die Erfurter Richter eine Absage. Sie stellten fest, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Pensionsvertrag, die die Hinterbliebenenversorgung an die Bedingung knüpft, dass die Ehe mindestens 10 Jahre bestanden haben muss, den Versorgungsberechtigten unangemessen benachteiligt. Der 3. Senat führte aus, dass eine solche Ausschlussklausel eine willkürlich ausgesuchte Zeitspanne beinhaltet, die in keinem Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis steht. Die entsprechende Klausel war deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und daher unwirksam.

Was ist nun erlaubt und was nicht?

Mit der aktuellen Entscheidung ergänzt das BAG seine Rechtsprechung zu den Eheklauseln im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Den bisherigen Entscheidungen des BAG lassen sich einige Grundsätze entnehmen:

Die sog. Altersabstandsklauseln, also diejenigen Regelungen, die den Anspruch auf Witwenrente bei großem Altersunterschied zwischen den Ehegatten kürzen bzw. ausschließen, sind  ab einem Altersunterschied von 10 Jahren oder mehr zulässig (BAG 11.12.2018 – 3 AZR 400/17).

Zulässig sind auch die Späteheklauseln, wenn sie Ehen erfassen, die nach dem Eintritt des Versorgungsfalls (BAG 15.10.2013 – 3 AZR 294/11) oder nach der Vollendung des 65. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers geschlossen wurden (BAG 14.11.2017 – 3 AZR 781/16).

In beiden Fallgruppen geht das BAG zwar davon aus, dass eine Benachteiligung des Arbeitsnehmers wegen Alters vorliegt. Diese ist aber aufgrund der Ausnahmeregelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zulässig, weil die von konkret festgelegten Grenzen verhältnismäßig sind.

Für die Ehedauerklauseln dürften zwar die gleichen Grundsätze gelten wie bei Altersabstands- und Späteheklauseln. Eine Benachteiligung wegen Alters dürfte auch hier gegeben sein, weil im fortgeschrittenen Alter die Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe die vorausgesetzte Dauer nicht erreicht, zunimmt.

In der Vergangenheit hatte das BAG bereits über Fälle zu entscheiden, in denen die betriebliche Altersversorgung eine Mindestdauer der Ehe voraussetzte. Die Wirksamkeit derartiger Klausel wurde nicht problematisiert. Die Klauseln sahen aber als Mindestehedauer lediglich ein Jahr vor. Es waren insofern Regelungen, die der in § 46 Abs. 2a SGB VI vorgesehenen Mindestehedauer für die gesetzliche Witwenrente entsprachen.

In dem aktuellen Fall scheiterte die Ehedauerklausel bereits an der AGB-Kontrolle, da die betriebliche Altersversorgung in einem einzelvertraglichen Pensionsvertrag vereinbart worden war. Die 10-jährige Ehedauer war unangemessen und deshalb gem. § 307 BGB unwirksam. Bei einer entsprechenden Betriebsvereinbarung wäre die AGB-Kontrolle wegen § 310 Abs. 4 S. 1 BGB ausgeschlossen. Wie das BAG entschieden hätte, wenn die Altersversorgung nicht in einem Pensionsvertrag, sondern in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag geregelt wäre, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit sagen. Das BAG führt aber in seinen Entscheidungsgründen aus, dass durch die Ehedauerklausel von der die Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik abgewichen wird. Der verfolgte Zweck der Absicherung der Hinterbliebenen nach dem Tod des Arbeitnehmers wird dadurch gefährdet. Dies stellt zumindest dann eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, wenn zwischen der festgelegten Ehedauer und dem Arbeitsverhältnis kein Zusammenhang besteht. Diese Ausführungen sprechen dafür, dass das BAG eine gleichlautende Regelung in einem Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, zumindest in einer vergleichbaren Konstellation, ebenfalls für unwirksam halten würde, weil auch hier ein Zusammenhang zwischen der Ehedauer und dem Arbeitsverhältnis erforderlich wäre. Fehlt dieser, hätte dies die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge, weil die für die Anwendbarkeit des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erforderliche Verhältnismäßigkeit nicht gegeben wäre.

Auswirkungen für die Praxis

Für Arbeitgeber stellt die Rechtsprechung insgesamt eine wichtige Orientierungshilfe dar. Zumindest grundsätzlich dürfte in allen drei genannten Konstellationen ein Ausschluss oder Beschränkung des Anspruchs auf die Witwenrente möglich sein. Es sind aber folgende Mindestmaßstäbe einzuhalten:

  • Eine Späteheklausel sollte ausschließlich diejenigen Ehen erfassen, die nach dem Eintritt des Versorgungsfalls bei dem Arbeitnehmer geschlossen wurden.
  • Bei Altersabstandsklauseln sollte der Altersabstand mindestens 10 Jahre betragen.
  • Bei Ehedauerklauseln sollte die Dauer die 1-Jahres-Grenze nicht übersteigen.

Bei Zusagen in Form von einzelvertraglichen Pensionsverträgen ist zudem darauf zu achten, dass diese der AGB-Kontrolle unterliegen. Hier besteht die Gefahr, dass eine Klausel bereits wegen Intransparenz oder Unangemessenheit unwirksam ist. Bei der Formulierung des Pensionsvertrages ist deshalb besondere Sorgfalt zu beachten. Im Falle der Unwirksamkeit besteht aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion auch keine Möglichkeit, die Klausel auf das zulässige Maß zu reduzieren. In Unternehmen mit Betriebsrat bzw. Tarifbindung sollte aus diesem Grund erwogen werden, solche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag zu treffen.

Autor dieses Beitrags:

Radoslaw Kleczar, Rechtsanwalt


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