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LAG Baden-Württemberg verpflichtet Arbeitgeber zur Auskunft nach Art. 15 DS-GVO

26. März 2019

Als bundesweit erstes Landesarbeitsgericht hat das LAG Baden-Württemberg im Dezember 2018 einen Arbeitgeber zur Auskunft nach Art. 15 DS-GVO und Herausgabe einer Datenkopie verurteilt (Urteil vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18).

Der Fall

In Kurzform: Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten über eine Kündigung, die Entfernung mehrerer Abmahnungen und – damit wird der Fall spannend – darüber, dem Arbeitnehmer Einsicht in die über ihn geführte Akte im unternehmensinternen Hinweisgebersystem zu gewähren und ihm Auskunft zu erteilen über die …

… vom Arbeitgeber verarbeiteten und nicht in der Personalakte gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten im Hinblick auf

- Zwecke der Datenverarbeitung
- Empfänger, gegenüber denen die Daten offengelegt wurden oder werden
- Speicherdauer / Kriterien für die Festlegung der Dauer
- Herkunft der Daten, wenn sie nicht beim Arbeitnehmer direkt erhoben wurden
- eine automatisierte Entscheidungsfindung / Profiling.

Von diesen personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten verlangte der Arbeitnehmer auch eine Kopie im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

Welchen Inhalt hat Art. 15 DS-GVO?

Gem. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO kann jeder von dem für eine Datenverarbeitung Verantwortlichen zunächst Bestätigung darüber verlangen, ob über ihn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Diese Auskunft kann im Arbeitsverhältnis auch der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen. Die Antwort auf die Frage nach dem „Ob“ der Verarbeitung von personenbezogenen Daten wird in jedem Arbeitsverhältnis mit „Ja“ zu beantworten sein.

Werden also personenbezogene Daten verarbeitet, folgt ein Recht auf Auskunft über eben diese Daten. Die Auskunft muss mit einer ganzen Reihe weiterer Angaben verbunden werden, u.a. zum Verarbeitungszweck, der Speicherdauer, den Empfängern der Daten usw. (nachzulesen in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO).

Weiterhin kann der Arbeitnehmer (wie jeder andere Betroffene) eine Kopie der personenbezogenen Daten verlangen. Die erste Kopie erfolgt unentgeltlich, für weitere Kopien kann der Arbeitgeber ein angemessenes Entgelt verlangen.

Soweit die Theorie. Nun zur Praxis:

Auskunft über Leistungs- und Verhaltensdaten

In dem beim LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer seinen Auskunftsanspruch soweit konkretisiert, dass er vom Arbeitgeber Auskunft über die über ihn gespeicherten Leistungs– und Verhaltensdaten verlangte.

Auch wenn der Begriff der „Leistungs- und Verhaltensdaten“ weder in Art. 15 DS-GVO noch in den Legaldefinitionen in Art. 4 DS-GVO vorkommt, hat das LAG Baden-Württemberg den Antrag des Klägers als von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und dem entsprechenden Erwägungsgrund (Nr. 63 S. 7) vorgesehene präzisierende Einschränkung und damit als rechtlich zulässig eingeordnet.

Auch im Übrigen ließ es die Bedenken des beklagten Arbeitgebers nicht durchgreifen. Eine Hervorhebung wert sind die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, dass die Argumentation des Arbeitgebers, neben der Personalakte würden keine „Negativlisten oder dergleichen“ geführt werden, nicht durchgreife. Es hat in diesem Zusammenhang auf die im Laufe des Rechtsstreits vorgelegten dienstlichen E-Mails hingewiesen, die der Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschrieben, gesendet oder empfangen hat und die personenbezogene Daten, „nämlich Informationen, die sich auf den Kläger beziehen„, enthalten. Auch den Hinweis des Arbeitgebers auf die Rechte und Freiheiten anderer Personen, die durch die Auskunftserteilung und die Herausgabe einer Kopie der gespeicherten Daten beeinträchtigt werden könnten, ließ das LAG nicht gelten. Es stellte zwar im Grundsatz fest, dass es nicht von vorneherein ausgeschlossen sei, dass durch eine Auskunftserteilung legitime Interessen des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeiter berührt werden könnten; solche legitime Interessen (z.B. die Geheimhaltung einer Informationsquelle; die Anonymität von Hinweisgebern, der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) würden dem Auskunftsrecht aber nur entgegenstehen, soweit schützenswerte Interessen Dritter bestehen. Das bedeutet: Es muss eine Abwägung der Interessen der dritten Personen mit den Interessen des Arbeitnehmers an der Auskunft und Aushändigung einer Kopie der vom Arbeitgeber verarbeiteten Daten vorgenommen werden. Der Arbeitgeber muss auch prüfen, ob eine Teilauskunft ausreichend ist, um die Interessen Dritter zu schützen.

Den Urteilsgründen des LAG ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber zu den Tatsachen, die bei einer Einzelfallabwägung zur Einschränkung des Auskunftsanspruchs führen können, nicht bzw. nicht ausreichend konkret vorgetragen hätte. Erforderlich wäre gewesen, dass der Arbeitgeber darlegt,

“ (…) auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll. (…)“

LAG Baden-Württemberg, 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, Rn 183 der Urteilsgründe)

Mit diesen Ausführungen macht das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg deutlich, welch hohe Anforderungen es an Unternehmen stellt, die die berechtigten Interessen ihrer Hinweisgeber oder ihre eigenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse schützen möchten.

Wie geht es weiter?

In Bezug auf den Auskunftsanspruch und die Zurverfügungstellung einer Kopie gem. Art. 15 DS-GVO hat das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Revision wurde vom Arbeitgeber auch bereits eingelegt, so dass das höchste deutsche Arbeitsgericht Gelegenheit erhält, sich mit den sehr weitgehenden und durchaus arbeitnehmerfreundlichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auseinanderzusetzen.

War da nicht noch etwas? – Einsicht in das Hinweisgebersystem

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer auch das Recht eingeräumt hat, in die über ihn geführte Akte im unternehmensinternen Hinweisgebersystem Einsicht zu nehmen. Gestützt hat es dies auf § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG, der das Recht des Arbeitnehmers regelt, „in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen„. Da es nach allgemeiner Meinung nicht darauf ankommt, ob eine Akte in diesem Sinn als Personalakte bezeichnet wird und wo sie geführt und außerdem bereits jede Sammlung von Unterlagen, die mit dem Arbeitnehmer in einem inneren Zusammenhang steht, ausreichend ist, um als Personalakte qualifiziert zu werden, hat das LAG auch die Akte im Hinweisgebersystem als Personalakte qualifiziert, in die der betroffene Arbeitnehmer Einsicht nehmen dürfe.

Das LAG hat zwar anerkannt, dass der Schutz von Hinweisgebern es erfordern kann, diesen Anonymität zuzusichern und keine Daten zu offenbaren, die Rückschlüsse auf ihre Person zulassen; auch hier hätte der Arbeitgeber aber keine konkreten Umstände benannt, die zur Beeinträchtigung der berechtigten Interessen Dritter geführt hätten, wenn der Kläger Einsicht in die über ihn geführte Akte im Hinweisgebersystem nimmt. Betont hat das LAG einen weiteren Gesichtspunkt: Die Anonymität der Hinweisgeber könne (und müsse) vom Arbeitgeber in der Weise gewährleistet werden, in dem nur der Teil des Hinweises zur Akte genommen wird, der die Person des Hinweisgebers nicht offenbart bzw. keine Rückschlüsse auf seine Person zulässt. Ist dies nicht möglich, könne der Arbeitgeber durch die Schwärzung oder sonstige technische Vorkehrungen dafür sorgen, dass diese Informationen unkenntlich gemacht werden.

Fazit

Beide Gesichtspunkte der Entscheidung – Einsicht in die Akte im Hinweisgebersystem und Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO – sind äußerst spannend und richtungsweisend für die so aktuellen Themen Whistleblowing und (Arbeitnehmer-) Datenschutz. Wir werden den Fortgang dieses Verfahrens mit Spannung weiter beobachten und hier berichten.


Inga Leopold, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht


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