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Bundesarbeitsgericht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen

20. Dezember 2018

Wichtige Gerichtsentscheidung für alle Arbeitgeber mit Schwerbehindertenvertretung: Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.12.2018 über die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 SGB IX entschieden und Grund zum „Aufatmen“ gegeben.

ÄNDERUNG DES SGB IX ZUM 30.12.2016

Seit der Änderung des Schwerbehindertenrechts zum 30.12.2016 war umstritten, welche Folge der in § 95 Abs. 2 (alte Fassung)/§ 178 Abs. 2 (neue Fassung) SGB IX eingefügte Satz 3 für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hatte. § 178 Abs. 2 SGB IX n.F. lautet (Satz 3 fett hervorgehoben):

(2) 1Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. 2Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. 3Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. (…)

Ganz klar: Wird gekündigt und die Schwerbehindertenvertretung wurde gar nicht über die Kündigungsabsicht informiert, ist die Kündigung unwirksam. Nicht ganz so eindeutig war die Frage zu beantworten, was passiert, wenn einer der anderen in Satz 1 vorgesehenen Schritte („unterrichten„, „anhören„, „Entscheidung unverzüglich mitteilen„) nicht eingehalten wurde. Die überwiegenden Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur und auch die Entscheidungen von Arbeits- und Landesarbeitsgerichten in den letzten zwei Jahren gingen in die Richtung, den neu eingefügten Satz 3 so zu verstehen, dass die Folge der Unwirksamkeit der Kündigung sich tatsächlich auf alle in Satz 1 geregelten Schritte bezieht. Insbesondere sollte in dem Fall, dass die Schwerbehindertenvertretung erst nach dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beteiligt wurde, die Kündigung unheilbar unwirksam sein.

Folge war, dass zur rechtssicheren Vorbereitung der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Schwerbehindertenvertretung in jedem Fall vor dem Einreichen des Antrags beim Integrationsamt – und damit auch im Regelfall vor dem Betriebsrat! – beteiligt werden und sie auch eine gesonderte Mitteilung erhalten sollte, wenn trotz ablehnender Stellungnahme die Kündigung gleichwohl ausgesprochen werden sollte.

ENTSCHEIDUNG DES BUNDESARBEITSGERICHTS

Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser strengen Auffassung nicht angeschlossen und betont in der kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung, dass für den Inhalt der Anhörung und Dauer der Stellungnahmefrist die Grundsätze zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gelten. Eine Kündigung sei aber nicht alleine deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt habe.

Bislang ist nur die Pressemitteilung, die aber sehr eindeutig ist, veröffentlicht. Die Urteilsgründe werden mit Spannung erwartet.

AUSWIRKUNG FÜR DIE PRAXIS

Es kann damit (wieder) zu dem weitaus besser handhabbaren Zeitablauf übergegangen werden, bei der Vorbereitung einer ordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zunächst die Zustimmung  des Integrationsamts einzuholen und sodann Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Für den Inhalt und die Frist der Anhörung schafft das Urteil erfreuliche Klarheit: Die Schwerbehindertenvertretung ist so wie der Betriebsrat nach § 102 BetrVG über die Umstände der Kündigung zu unterrichten und es ist ihr dieselbe Stellungnahmefrist, also eine Woche bei einer ordentlichen Kündigung, einzuräumen.

Die rechtssichere Vorbereitung der Kündigung von Schwerbehinderten ist weiterhin – auch wenn das Bundesarbeitsgericht zumindest die Anforderungen an den Zeitablauf etwas zurückgeschraubt hat – fehlerträchtig. Sprechen Sie die Autorin des Beitrags, Rechtsanwältin Leopold, und natürlich auch alle anderen Ansprechpartner im Arbeitsrecht gerne an, wenn Sie sich absichern möchten.

Ihre Ansprechpartner im Arbeitsrecht:

RA und FAArbR Dr. Stephan Pauly, Tel.: 0228 6209010, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RA und FAArbR Dr. Stephan Osnabrügge, Tel.: 0228-6209030, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RAin und FAinArbR Dr. Susanne Sadtler, Tel.: 0228-6209040, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RA und FAArbR Michael Huth, Tel.: 0228-6209020, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RAin und FAinArbR Inga Leopold, Tel.: 0228-6209030, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RAin Dr. Julia Jankowski, Tel.: 0228-6209050, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RA Radoslaw Kleczar, Tel.: 0228-6209070, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

RA Andreas Höffken, Tel.: 0228-6209000, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.