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Widerruf einer Home-Office-Erlaubnis

17. Januar 2025

Widerruf einer Home-Office-Erlaubnis

Spätestens seit der Corona-Krise ist die Tätigkeit im Home-Office für viele Arbeitnehmer Alltag geworden. Hat der Arbeitgeber die Home-Office-Erlaubnis im Wege einer Lockerung des Direktionsrechts erteilt, kann er sie über die Ausübung des Direktionsrechts auch widerrufen. Dabei ist der Widerruf an § 106 GewO zu messen, der verlangt, dass der Arbeitgeber das Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausübt. Konkret bedeutet das, dass er die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen muss und die arbeitgeberseitigen Interessen etwaig gegenläufige Interessen des Arbeitnehmers überwiegen müssen.

Der Arbeitgeber hat dabei die Grundrechte des Arbeitnehmers, allgemeine gesetzliche Wertentscheidungen sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ferner muss die Ausübung seines Weisungsrechts im Einzelfall zu einer zumutbaren Folge für den Arbeitnehmer führen.

Der nachfolgend skizzierte Fall (LAG Köln, Urteil vom 11.07.2024 – 6 Sa 579/23) veranschaulicht, wann die Grenzen billigen Ermessens überschritten sind.

I. Der Sachverhalt

Der Arbeitnehmer arbeitete mit Erlaubnis des Arbeitgebers seit drei Jahren zu 80% im Home-Office und ansonsten bei Kunden des Unternehmens. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass der Einsatzort des Arbeitnehmers sich auf die gesamte Unternehmensgruppe bezieht und sich nach den laufenden Projekten richtet. Als der Heimatstandort des Arbeitnehmers geschlossen wurde, sprach der Arbeitgeber am 24.03.2023 einen Widerruf der Home-Office-Erlaubnis aus und versetzte ihn zum 01.05.2023 an einen anderen Unternehmensstandort in 500 km Entfernung zum Heimartort des Arbeitnehmers. Hilfsweise sprach er zudem – mit Wirkung zum 31.05.2023 – eine Änderungskündigung aus.

Der Arbeitnehmer war der Auffassung, die Versetzung sei wegen Unzumutbarkeit und Unverhältnismäßigkeit nach § 106 GewO unbillig und damit unzulässig. Es sei ihm nicht möglich, seinen privaten Lebensmittelpunkt so kurzfristig zu verlagern und eine Wohnung am neuen Arbeitsort zu finden. Außerdem führten die Hotel- und Fahrtkosten, die mit einer kurzfristigen Arbeitsaufnahme vor Ort zwangsläufig vom Arbeitnehmer aufzuwenden wären, ebenfalls zur Unzumutbarkeit der Weisung. Die Änderungskündigung sei überdies unwirksam, da als milderes Mittel das Angebot eines Home-Office-Arbeitsplatzes bestand. Er bot aber an, weiterhin im Home-Office tätig zu sein.

II. Die Entscheidung des LAG Köln

Dem LAG Köln zufolge hat der Arbeitgeber die Grenzen billigen Ermessens mit der Versetzung des Arbeitnehmers vom Home-Office-Arbeitsplatz auf einen 500 km entfernten Arbeitsplatz überschritten, sodass diese unwirksam ist. Der Widerruf der Erlaubnis, im Home-Office zu arbeiten, sei nicht durch überwiegende sachliche Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt.

Der Kläger habe ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse, da er am Ort seines Home-Office familiär, logistisch, im Freundeskreis und der Kultur verortet sei und dort über Jahre hinweg gearbeitet hatte. Es fehle an überwiegenden Interessen des Arbeitgebers, die diese Belange des Arbeitnehmers zurücktreten ließen. Aus den Schilderungen des Unternehmens sei nicht hervorgegangen, wieso der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten nicht aus dem Home-Office heraus erledigen könne. Sein Vortrag, dass der Kontakt zu Kunden zur Erfüllung seiner Aufgaben projektbezogen bei diesen vor Ort und überwiegend per Telefon und Computer geschehe, sei vom Arbeitgeber unbestritten geblieben. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Arbeitnehmer notwendigerweise im Betrieb anwesend sein müsse.

Die Wirksamkeit der Änderungskündigung scheitere überdies an mangelnden betrieblichen Erfordernissen. Allein die Schließung des Standorts, dem der Arbeitnehmer bislang zugeordnet war, belege kein betriebliches Bedürfnis für die Beendigung der Arbeit im Homeoffice. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer ohne Weiteres dem neuen Standort unter Aufrechterhaltung der Home-Office-Erlaubnis zuweisen können.

III. Auswirkungen auf die Praxis

Auch wenn der Arbeitgeber die einmal erteilte Erlaubnis, im Homeoffice zu arbeiten, im Grundsatz über das Direktionsrecht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers widerrufen kann, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Grenzen billigen Ermessens eingehalten wurden. Dafür sind einzelfallbezogen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Kann der Arbeitgeber für die Zuweisung eines ausschließlichen Präsenzarbeitsplatzes keine Sachgründe benennen und ist die Änderung des Arbeitsorts für den Arbeitnehmer gleichzeitig mit erheblichen Nachteilen verbunden, wird die Weisung mit hoher Wahrscheinlichkeit unbillig sein. Es empfiehlt sich deshalb, im Vorfeld genau zu überlegen, welche sachlichen Gründe aus Sicht des Unternehmens für eine Tätigkeit in Präsenz sprechen, um diese im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung schlüssig vortragen zu können.

In der Praxis ist außerdem zu beachten, dass es nicht in jedem Fall überhaupt denkbar ist, die Tätigkeit im Homeoffice über die Ausübung des Direktionsrechts zu beenden. Wurde das Homeoffice beispielsweise vertraglich vereinbart, muss der Arbeitsvertrag einvernehmlich oder über eine Änderungskündigung angepasst werden, wenn der Mitarbeiter an einen Präsenzarbeitsplatz beordert werden soll. Grenzen setzen darüber hinaus natürlich auch etwaige Betriebsvereinbarungen zum Homeoffice oder mobilen Arbeiten.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Usadel

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