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Wann ist die Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen „angemessen“?

23. September 2024

Wann ist die Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen „angemessen“?

Seit der Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) im Jahr 2022 muss die Probezeit eines befristeten Arbeitsvertrags „angemessen“ sein, d.h. im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Da jedoch weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung die Maßstäbe für die Angemessenheit definieren, hat die Umsetzung dieser Vorschrift in der Praxis für einige Unsicherheit gesorgt. Solange der Gesetzgeber nicht präzisierend tätig wird, liegt es somit an den Arbeitsgerichten, eine Richtschnur für die Angemessenheit der Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen herauszuarbeiten.

Erste weiterführende Erkenntnisse liefern zwei Gerichtsentscheidungen:

I. LAG Berlin-Brandenburg: Probezeit darf bei maximal 25% der Gesamtdauer liegen

In einem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23) entschiedenen Fall wurde über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung gestritten. In dem auf ein Jahr (22. August 2022 bis 21. August 2023) befristeten Arbeitsverhältnis war eine Probezeit von 4 Monaten vereinbart worden, die die Arbeitnehmerin für zu lang und damit unangemessen hielt.

Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt“, nach seiner Auffassung zum 28.12.2022, gekündigt.

Wie hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden?

  • Die vereinbarte Probezeit von 4 Monaten hielt es im Verhältnis zur Gesamtdauer des auf ein Jahr befristeten Vertrages für zu lang. Sie war somit unwirksam vereinbart. Die Folge: Für die Kündigung galt nicht die kürzere Kündigungsfrist während der Probezeit, sondern die reguläre Kündigungsfrist, so dass das Arbeitsverhältnis erst zum 15.01.2023 beendet wurde.
  • Im Grundsatz soll gelten: Eine Probezeit, die maximal 25% der Gesamtdauer des befristeten Vertrages beträgt, ist im Regelfall mit § 15 Abs. 3 TzBfG vereinbar. Bei einer längeren Probezeit muss der Arbeitgeber darlegen, aus welchen Umständen sich die Angemessenheit der Probezeit im Einzelfall ergibt. Hier sei das dem Arbeitgeber nicht gelungen.
  • Die Vereinbarung einer unangemessen langen Probezeit hat aber keine Auswirkungen auf den Beginn des Kündigungsschutzes. Es bleibt dabei, dass für die Kündigung erst nach 6 Monaten ein Kündigungsgrund erforderlich ist.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Diese ist dort unter dem Aktenzeichen 2 AZR 160/24 anhängig, so dass im Laufe des Jahres 2025 mit einer Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts gerechnet werden kann.

II. LAG Schleswig-Holstein: Probezeit darf bei maximal 50% der Gesamtdauer liegen

Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg steht im Widerspruch zu einem anderen Urteil. Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 18.10.2023 – 3 Sa 81/23) ist der Ansicht, dass pauschal eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, angemessen ist.

Zwar müsse eine Probezeit im Einzelfall verhältnismäßig sein, womit es auch auf die Art der Tätigkeit ankomme, die während des befristeten Arbeitsverhältnisses ausgeübt werde. Danach könne auch eine längere Probezeit angemessen sein. Dass die spezifische Tätigkeit eine längere Probezeit erfordert, müsste dann aber der Arbeitgeber darlegen und beweisen.

In dem vom LAG Schleswig-Holstein konkret entschiedenen Fall ging es allerdings um den Sonderfall eines zur Probe auf sechs Monate befristeten Arbeitsverhältnisses, das nach der Erprobung unbefristet fortgesetzt werden sollte. Auf eine solche Konstellation seien die vorstehenden Grundsätze nicht anzuwenden. Da ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angestrebt werde, sei in solchen Konstellationen die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit immer angemessen.

Das LAG Schleswig-Holstein hält im Gegensatz zum LAG Berlin-Brandenburg also deutlich großzügigere Probezeiten während eines befristeten Arbeitsverhältnisses für angemessen.

Auch hier wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Sie wird dort unter dem Aktenzeichen 2 AZR 275/23 geführt. Der Termin für die mündliche Verhandlung und eine Entscheidung ist derzeit für den 5. Dezember 2024 avisiert. Wir werden an dieser Stelle weiter berichten.

III. Folgen für die Praxis

Nach Inkrafttreten des neuen § 15 Abs. 3 TzBfG kursierten in der arbeitsrechtlichen Literatur verschiedene Empfehlungen für angemessene Probezeiten. Gehandelt werden ebenfalls 25% bzw. 50% der Befristungsdauer als angemessene Dauer der Probezeit. Da sich diese Werte jedoch erheblich unterscheiden – bei einer Befristungsdauer von zwölf Monaten wäre demnach eine Probezeitdauer von drei Monaten oder sechs Monaten verhältnismäßig – bleibt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch das Bundesarbeitsgericht eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen. Wer sicher gehen möchte, dass die Probezeit „hält“, orientiert sich besser an den 25%.

Auch vor dem Hintergrund, dass das LAG Schleswig-Holstein dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnen will, eine sechsmonatige Erprobungsbefristung mit einer Probezeitkündigung samt Kündigungsfrist von zwei Wochen zu kombinieren, ist eine Stellungnahme des Bundesarbeitsgerichts erforderlich. Insbesondere wird interessant sein, welche Rechtsfolge das BAG für einschlägig hält, sollte es diese Gestaltung für unwirksam halten. Es könnte gem. § 139 BGB die gesamte Kündbarkeit des befristeten Vertrages entfallen, oder es könnten statt der verkürzten Kündigungsfrist während der Probezeit die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB gelten. Zweiteres liegt näher, so dass der Arbeitsvertrag auch bei unwirksamer Vereinbarung der Probezeit kündbar ist – nur eben mit den längeren Kündigungsfristen, die nach der Probezeit gelten (§ 622 Abs. 2 BGB bzw. längere vertragliche oder tarifvertragliche Fristen).

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Usadel

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