• News
  • Versuchter Prozessbetrug kann den Arbeitnehmer den Arbeitsplatz kosten

Versuchter Prozessbetrug kann den Arbeitnehmer den Arbeitsplatz kosten

13. August 2020

Nirgendwo wird mehr gelogen als vor Gericht. So zumindest das allbekannte Sprichwort. Dass ein bewusster falscher Vortrag vor Gericht äußerst unangenehme Konsequenzen haben kann, zeigt das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 22.01.2020 (Az. 6 Sa 297/19). Das LAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers fristlos kündigen kann, wenn dieser im Prozess bewusst falsch vorträgt.

Was ist passiert?

Der Kläger war seit dem 26.04.2017 bei der Beklagten als Arbeitnehmer für Hausmeistertätigkeiten und Gartenarbeiten beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde der Kläger bei Reinigungsarbeiten in verschiedenen von der Beklagten betreuten Objekten eingesetzt. In einem vorhergehenden Verfahren beim Arbeitsgericht Würzburg klagte er gegen seine Arbeitgeberin auf Feststellung, dass er im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht verpflichtet sei, Toilettenreinigungsarbeiten zu verrichten. Hierzu trug er in der Klageschrift u.a. vor, er sei in der Vergangenheit „überhälftig für Toilettenreinigungsarbeiten eingesetzt“ gewesen. Diese Klageschrift wurde der Arbeitgeberin am 03.08.2018 zugestellt.

Diesen Vortrag, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung wiederholte, erwies sich als falsch. Der Kläger hat nämlich nur in einem von der Beklagten betreuten Objekt die Toiletten reinigen müssen. Auch in diesem Objekt beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers zudem nicht nur auf Toilettenreinigung, weil er auch andere Sanitärflächen und Nutzflächen reinigen musste. In anderen von der Beklagten betreuten Objekten musste der Kläger überhaupt keine Toiletten reinigen. Aufgrund dieser Feststellungen war klar, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrig vorgetragen hat. Das Arbeitsgericht Würzburg wies daher die Klage ab.

Für den Arbeitnehmer hatte dieser falsche Vortrag neben dem negativen Ausgang des Prozesses aber eine weitere Konsequenz. Seine Arbeitgeberin kündigte nämlich am 10.08.2018 außerordentlich fristlos und stützte dies auf den in der Klageschrift getätigten bewussten falschen Vortrag.

Auch im Kündigungsrechtsstreit erfolglos

Die Kündigung wollte der Arbeitnehmer nicht hinnehmen und erhob Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung aber für gerechtfertigt und wies die Klage ab. Diese Entscheidung bestätigte auch das LAG Nürnberg. Die vorsätzlich unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertige regelmäßig die außerordentliche Kündigung. Ein solches Verhalten störe das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich. Dabei könne der Arbeitnehmer, der wahrheitswidrig vorträgt, nicht davon ausgehen, dass die Gegenseite dies hinnehmen würde.

Nach den Feststellungen des LAG sei davon auszugehen, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrig vorgetragen habe, weil er befürchtet habe, sonst den Prozess nicht gewinnen zu können. Ein auf diese Weise im Prozess gegen seinen Arbeitgeber handelnder Arbeitnehmer verletze nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts massiv seine nebenvertragliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis gem. § 241 Abs. 2 BGB. Das LAG wies zwar darauf hin, dass eine objektiv wahrheitswidrige Erklärung in einem Rechtsstreit nicht zwangsläufig zu dem Rückschluss führen müsse, dass sich der Erklärende auf unredliche Weise rechtliche Vorteile verschaffen wolle. In dem konkreten Fall habe der Kläger aber bewusst falsch und mit dem Ziel vorgetragen, beim Gericht den Eindruck zu erwecken, dass eine Anordnung von Toilettenreinigungsarbeiten nicht der vertragsgemäßen Beschäftigung entspräche. Dadurch erhoffte er sich einen für ihn günstigen Ausgang des Prozesses.

Entscheidend sind die Äußerungen im Prozess

Der Kläger versuchte noch einzuwenden, die Kündigung sei nicht innerhalb der zwingend einzuhaltenden Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden. Denn er habe sich bereits im Vorfeld des ersten Rechtsstreits mit Schreiben vom 06.02.2018, also mehr als sechs Monate vor der Kündigung, gegenüber der Beklagten geäußert, dass er „schwerpunktmäßig“ Toiletten reinigen müsse. Aufgrund dieser Erklärung sei der Beklagten bereits Monate vor der Kündigungserklärung bekannt gewesen, wie der Kläger das anteilige Verhältnis der Toilettenreinigungsarbeit beurteile. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, erst mit der Zustellung der Klageschrift am 03.08.2018 von der Erklärung des Klägers Kenntnis erlangt zu haben. Der Vortrag in der Klageschrift sei vielmehr nur eine Wiederholung dessen, was er bereits im Februar 2018 geäußert habe. Auch dieser Einwand half dem Kläger nicht. Das LAG führte aus, die Äußerung in dem Schreiben vom 06.02.2018 sei für die Beurteilung der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist nicht relevant. Ausschlaggebend sei vielmehr die unwahre Tatsachenbehauptung im Prozess. Von dieser erfuhr die Beklagte aber erst mit der Zustellung der Klageschrift am 03.08.2018. Da sie die Kündigung am 10.08.2018, also sieben Tage später erklärte, sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, welche weitreichenden Konsequenzen ein bewusster falscher Vortrag in einem gerichtlichen Verfahren haben kann. Beruht der falsche Vortrag auf missverständlicher Äußerung oder Nachlässigkeit, kann dies zu einer Klageabweisung führen. Wenn aber klar wird, dass es sich um kein Versehen gehandelt hat, wird der negative Ausgang des eigentlichen Prozesses zum geringsten Übel. Im „Worst Case“ kann ein solcher Vortrag den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.

 

Autor dieses Beitrags:

Radoslaw Kleczar, Rechtsanwalt


Alle Ansprechpartner im Arbeitsrecht finden Sie HIER.