In unserem Beitrag vom 23. März 2023 berichteten wir über das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22) zur Aufhebung der Freisprüche von vier VW-Personalmanagern, denen im Zusammenhang mit den an freigestellte Betriebsräte gezahlten Bezügen und Boni Untreue gem. § 266 StGB vorgeworfen wurde. Der BGH hielt es nicht für ausgeschlossen, dass die betreffenden Manager sich wegen Zahlung der überhöhten Gehälter an Betriebsräte der vorsätzlichen Untreue schuldig gemacht haben könnten. Als Vergütungsmaßstab diene auch für Betriebsräte stets das Gehalt vergleichbarer Beschäftigter.
Das Urteil führte in der Praxis zu einigen Kürzungen von Betriebsratsgehältern aus Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen bei etwaiger Überbezahlung. Hiergegen wiederum klagten einige Betroffene vor den Arbeitsgerichten.
Dieser Verunsicherung plante die Bundesregierung durch Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu begegnen. Insbesondere sollte das Begünstigungsverbot für Betriebsräte und die Modalitäten der Vergleichbarkeit von Betriebsräten mit anderen Arbeitnehmern konkretisiert werden. Nun hat der Bundestag am 28. Juni 2024 einstimmig folgende Novellierungen beschlossen, die der Bundesrat in seiner Sitzung am 05. Juli 2024 ebenfalls billigte. Die Gesetzesänderung ist am 25.07.2024 in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt Teil I - Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes - Bundesgesetzblatt).
Grundsätzlich galt und gilt weiterhin: die Betriebsratstätigkeit erfolgt ehrenamtlich. Betriebsräte werden daher nach dem sog. Lohnausfallprinzip vergütet und erhalten die Fortzahlung ihres Entgelts ohne gesonderte Vergütung der Amtstätigkeit. Konkret müssen Betriebsräte also die Vergütung erhalten, die sie ohne Übernahme des Amtes erhalten würden, inklusive Sachbezüge und sonstiger Entgeltbestandteile. Die Entwicklung des Gehalts der Betriebsräte ist dabei abhängig von der Entwicklung bei vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Betriebsräte durch ihre Tätigkeit weder Nachteile noch Vorteile haben (Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot).
Nach § 37 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Mit Wirkung ab dem 25.07.2024 wurde § 37 Abs. 4 BetrVG um folgenden Passus ergänzt:
„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“
Die Regelung in Satz 1 der Ergänzung kodifiziert die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Zeitpunkt des Vergleichs. Nun auch gesetzlich geregelt ist also, dass die (erstmalige) Übernahme des Betriebsratsamtes den maßgeblichen Zeitpunkt zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer darstellt. Ob ein „sachlicher Grund“ für eine spätere Neubestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer vorliegt, lässt sich nur einzelfallbezogen bewerten. Ein solcher kann beispielsweise bei einem beruflichen Aufstieg des Betriebsratsmitglieds oder dem Ausscheiden bzw. Neueintritt von Vergleichspersonen aus/in den Betrieb vorliegen. Gesetzlich geregelt ist nun ferner die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Betriebsrat mittels Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln können und diese Konkretisierung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Dadurch billigt das Gesetz den Betriebsparteien einen gewissen Beurteilungsspielraum zu, der überschritten wäre, wenn die Vereinbarung die durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung aufgestellten Vergleichskriterien missachtet. In einem solchen Fall wäre die Vereinbarung gem. § 134 BGB nichtig. Die aufgrund einer nichtigen Vergütungsvereinbarung gezahlten zu hohen Gehälter sind zunächst für die Zukunft anzupassen, wozu es wegen der Nichtigkeit keiner Änderungskündigung bedarf. Ob die geleisteten Zahlungen teilweise zurückzugewähren sind, ist im Einzelfall zu prüfen, denn auch in der fehlenden Rückforderung kann eine unzulässige Begünstigung liegen.
Ungeregelt bleibt jedoch weiterhin die Fallkonstellation, in der es im Betrieb an vergleichbaren Arbeitnehmern fehlt. Lediglich die Gesetzesbegründung greift diese Problematik auf und führt aus, dass dann vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebs innerhalb des Unternehmens herangezogen werden können. Fehlen sie auch dort, sei auf die betriebsübliche Entwicklung der nächstvergleichbaren Arbeitnehmergruppen abzustellen und das Mindestentgelt in entsprechender Anwendung von § 287 der ZPO zu schätzen. Problematisch ist dabei aber, dass in § 37 Abs. 4 BetrVG von einer „betriebsüblichen“ Entwicklung die Rede ist und ausgehend vom Wortlaut der Norm somit Bezugspunkt nur vergleichbare Arbeitnehmer desselben Betriebs sein können. Die unternehmensbezogene Betrachtung wird jedoch dem Gesetzeszweck gerecht, der im Auffinden eines objektiven Vergleichsmaßstabes liegt. Die Betrachtung vergleichbarer Arbeitnehmer in Betrieben desselben Unternehmens dürfte dabei zu eindeutigeren und nachvollziehbareren Ergebnissen führen, als die Betrachtung von anderen, am ehesten vergleichbaren Arbeitnehmergruppen.
Nach § 78 S. 2 BetrVG dürfen Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
Das Änderungsgesetz enthält folgende Ergänzung:
„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“
Hintergrund dieser Einfügung ist die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Betriebsratsmitglied eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, die derjenigen entspricht, die es ohne die Amtstätigkeit durchlaufen hätte. Gemeint ist, dass ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme oder Freistellung nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, vom Arbeitgeber nach § 611a BGB i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG die Zahlung einer entsprechend höheren Vergütung verlangen kann (vgl. auch BAG, Urteil vom 22.01.2020 – 7 AZR 222/19).
Ausweislich der Gesetzesbegründung knüpft eine vergünstigungsfreie Erhöhung der Gehälter von Betriebsräten an folgende Voraussetzungen an:
(1) Es muss eine konkrete zu besetzende Stelle im Betrieb vorhanden sein
(2) Das Betriebsratsmitglied muss die entsprechenden Qualifikationen für die Stelle haben
(3) Ein anderer Bewerber darf aus Sicht des Arbeitgebers nicht vorzugswürdig sein.
Die Parteien üben das ihnen zustehende Ermessen dabei fehlerhaft aus, wenn sie vernünftigerweise nicht davon ausgehen durften, eine zutreffende Bewertung hypothetischer Gehalts- oder Karriereentwicklung vorgenommen zu haben. Insoweit ist klar, dass das Gesetz nicht verallgemeinerbare Grundsätze für die Bewertung eines jeden individuellen Karriereweges abbilden kann.
Daher birgt die Gesetzesänderung aufgrund weiterhin verbleibender Interpretationsmöglichkeiten und des eingeräumten – aber unbestimmten – Ermessensspielraums auch künftig Raum für unterschiedliche Auslegungen und damit Rechtsunsicherheiten.
Selbstverständlich räumt die Novellierung der Gesetzeslage trotz der zarten Ansätze zur Klarstellung und Konkretisierung der Betriebsratsvergütung das Risiko einer Strafbarkeit wegen Untreue nicht vollständig aus, weshalb weiterhin genau zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der o.g. Normen eingehalten werden. Dabei empfiehlt es sich dringend, die jeweils herangezogenen Vergleichsgruppen einschließlich der Vergütung, Qualifikationen und der beruflichen Entwicklung im Betrieb zu dokumentieren und die Dokumentationen aufzubewahren. Es bleibt außerdem abzuwarten, wie die Rechtsprechung die unbestimmten Rechtsbegriffe in Zukunft weiter konkretisiert.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Usadel
Kurt-Schumacher-Str. 22
53113 Bonn
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