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Schadensersatz bei Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO

08. Mai 2023

Schadensersatz bei Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO

Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

Betroffene haben mit Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Anspruch gegenüber dem für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten Verantwortlichen, der darauf gerichtet ist, Auskunft darüber zu erlangen, ob und welche Daten dieser über sie speichert. Darüber hinaus muss der Verantwortliche dem Betroffenen Auskunft über ergänzende Informationen wie beispielsweise über die Verarbeitungszwecke, die Herkunft der Daten oder über Empfänger, an die die Daten übermittelt werden, erteilen. Neben öffentlichen Stellen wie Behörden sind auch nichtöffentlichen Stellen wie beispielsweise Wirtschaftsunternehmen, Verbände und Vereine zu derartigen Auskünften verpflichtet.

Weil Arbeitgeber über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ihrer Arbeitnehmer entscheiden, sind auch sie datenschutzrechtlich Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Folgerichtig sind Arbeitnehmer als Betroffene im Sinne von Art. 4 Nr.1 DSGVO zu qualifizieren. Arbeitnehmer können ihr Auskunftsverlangen schriftlich oder mündlich gegenüber dem Arbeitgeber mitteilen. Zur besseren Nachverfolgbarkeit empfiehlt es sich allerdings, das Verlangen nachweislich zu äußern. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO kann die betroffene Person zudem eine Kopie der Daten verlangen, die Gegenstand der Datenverarbeitung sind.

Das Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO ist häufig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung. Im Folgenden zeigen wir Ihnen anhand einiger Urteile auf, welche Relevanz der Anspruch im Arbeitsverhältnis hat.

Welche Konsequenzen hat das unberechtigte Unterlassen einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO?

Art. 82 Abs. 1 DSGVO gewährt dem Betroffenen einen Schadensersatzanspruch, wenn die begehrten Auskünfte nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der einmonatigen Regelfrist des Art. 12 Abs. 3 S.1 DSGVO erteilt werden und auch nicht ausnahmsweise eine nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 DSGVO begründete Fristverlängerung mitgeteilt wird.

Der Tatbestand des Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt dabei voraus, dass dem Betroffenen ein materieller oder immaterieller Schaden wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung entstanden ist. Was genau das bedeutet, ist umstritten:

Nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg (ArbG Oldenburg, Urteil vom 09.02.2023 – 3 Ca 150/21) muss der Schadensersatzberechtigte den ihm entstandenen Schaden beziffern, aber nicht weiter darlegen. Der Verstoß gegen die DSGVO allein reicht dem Arbeitsgericht zufolge für die Annahme eines Schadens aus. Als Begründung führt das Arbeitsgericht an, die Norm habe eine Präventionsfunktion und solle vor Verstößen gegen die DSGVO abschrecken.

Das LAG Nürnberg sieht dies in seinem Urteil vom 25.01.2023 (4 Sa 201/22) allerdings anders. Danach sei Art. 82 Abs. 1 DSGVO einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Schadensersatzanspruch auf Fälle einer rechtswidrigen Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO begrenzt sei und verspätete, falsche oder gar gänzlich unterbliebene Auskünfte an eine Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO somit nicht haftungsauslösend seien. Für diese Auslegung spreche der Erwägungsgrund 146 zu der Verordnung, der ebenso wie der die Haftungsverpflichtung konkretisierende Art. 82 Abs. 2 DSGVO stets nur eine gegen die DSGVO verstoßende „Datenverarbeitung“ erwähnt. Die reine Verletzung der Auskunftspflicht rechtfertige danach also keine Schadensersatzforderung des Anspruchstellers gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Diese Rechtsauffassung vertritt auch das LG Bonn in seinem Urteil vom 01.07.2021 (15 O 372/20). Eine verzögerte Reaktion auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO allein begründe danach keinen Schaden. Vielmehr müsse der aus der verzögerten Reaktion des Verantwortlichen entstandene Schaden konkret dargelegt werden. Das „Warten“ auf die Datenauskunft allein könne auch nach dem Schadensmaßstab der DSGVO keinen ersatzfähigen Schaden begründen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 05.05.2022 – 2 AZR 363/21) hatte bislang offengelassen, ob allein die nicht vollständige oder verspätete Erfüllung des Auskunftsanspruchs einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründen kann. Es ist indes derzeit wieder mit der Fragestellung befasst, denn gegen das o.g. Urteil des LAG Nürnberg vom 25.01.2023 (4 Sa 201/22) wurde Revision eingelegt. Es bleibt abzuwarten, wie das höchste deutsche Arbeitsgericht in der Frage entscheiden wird.

Arbeitgeber sollten die mögliche Schadensersatzpflicht bei der verzögerten oder unterlassenen Auskunftserteilung kennen und sie bei der Bearbeitung von Auskunftsverlangen im Hinterkopf haben.

Wann kann der Arbeitgeber die Auskunft verweigern?

Es gibt durchaus Konstellationen, in denen der Arbeitgeber dem Auskunftsgesuch des Arbeitnehmers nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht nachzukommen braucht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Gesuch rechtsmissbräuchlich ist. Denn nicht selten werden Auskunftsansprüche taktisch von Arbeitnehmern eingesetzt, um dem Arbeitgeber eine zeitaufwendige, ressourcenbeanspruchende Bearbeitung aufzuhalsen und ihn so zum Beispiel im Zusammenhang mit Aufhebungsverhandlungen zur Zahlung einer höheren Abfindung zu bewegen.

Über einen solchen Fall entschied das LAG Sachsen mit Urteil vom 17.02.2021 (2 Sa 63/20). In dem Fall hatte der Arbeitnehmer Zahlungsklage gegen den Arbeitgeber wegen der ausstehenden Vergütung von Überstunden erhoben. Zeitgleich forderte er nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft über seine abgeleisteten Überstunden, um seiner Darlegungs- und Beweislast, diese auch tatsächlich geleistet zu haben, nachzukommen. Das LAG Nürnberg versagte ihm diesen Anspruch allerdings, da das Verlangen nach der Meinung des Gerichts zweckwidrig sei. Es sei weder Gegenstand noch Ziel der DSGVO, dem Arbeitnehmer Auskunft über seine Arbeitszeiten zu erteilen. Das Gesuch diene nicht dem Schutz personenbezogener Daten, sondern solle dem Arbeitnehmer Auskunft über Daten verschaffen, die er zur Vorbereitung eines Anspruchsbegehrens unverändert und vollständig benötigt. Daher müsse der Arbeitgeber dem Auskunftsgesuch nicht nachkommen.

Wann ein solcher zweckwidriger Einsatz des Auskunftsverlangens vorliegt, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls durch einen Rechts- und Sachkundigen zu beurteilen. Indizien können sowohl der Zeitpunkt als auch die Häufigkeit des Verlangens sein. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber grundsätzlich auch während eines Kündigungsverfahrens zur Auskunft verpflichtet ist. Sollten jedoch Umstände vorliegen, die das Verlangen zweckwidrig erscheinen lassen, so sollten Arbeitgeber diese genau dokumentieren, um sie einredeweise gegen den entsprechenden Anspruch geltend machen und darlegen zu können. Hilfreich erscheint die Etablierung eines standardisierten Verfahrens, nach dem alle Auskunftsbegehren innerhalb eines Unternehmens behandelt werden. Teil davon könnte es sein, den auskunftsbegehrenden Arbeitnehmer zur Konkretisierung des Zwecks der Auskunft aufzufordern.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Susanne Sadtler und stud. iur. Maike Usadel