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Rechtsprechungsänderung bei der sachgrundlosen Befristung

08. Februar 2019

Mit Urteil vom 23. Januar 2019 (Az. 7 AZR 733/16) hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung zum sog. „Zuvor-Beschäftigungsverbot“ beim Abschluss (sachgrundlos) befristeter Arbeitsverträge geändert. Wir erklären die Hintergründe:

Sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

Für den Abschluss eines wirksam befristeten Arbeitsvertrages kommen zwei Varianten in Betracht: Entweder, es gibt einen Sachgrund für die nur vorübergehende Einstellung des Mitarbeiters (z.B.: Elternzeit- oder Krankheitsvertretung, vorübergehender Mehrbedarf an Arbeit) oder aber, der Arbeitgeber macht von der Möglichkeit Gebrauch, für die Dauer von bis zu zwei Jahren einen sachgrundlos befristeten Vertrag abzuschließen. Die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines sachgrundlos befristeten Vertrages sind in § 14 Abs. 2 TzBfG recht konkret beschrieben:


Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

§ 14 Abs. 2 S. 1 und S. 2 TzBfG

Wichtig also: Eine sachgrundlose Befristung geht nur für maximal 2 Jahre; wird zunächst eine kürzere Dauer vereinbart, kann der Vertrag maximal drei Mal verlängert werden. Und vor allem: Eine sachgrundlose Befristung darf nur abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer mit demselben Arbeitsgeber nicht „bereits zuvor“ in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.

Bisherige Lesart des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahr 2011 entschieden, dass „bereits zuvor“ nicht so ausgelegt werden kann, dass in der Vergangenheit noch nie ein Arbeitsverhältnis zwischen den selben Parteien bestanden haben darf. Es führte eine feste Zeitgrenze von drei Jahren ein: Lag das vorherige Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber länger als drei Jahre zurück, konnte ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden. Die Praxis atmete auf, gab diese feste und überschaubare Zeitgrenze doch große Rechtssicherheit.

Es regte sich aber auch schnell Kritik an der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Sie überspannt den Wortlaut der Vorschrift, denn der ist sehr eindeutig. „Nicht bereits zuvor“ bedeutet, dass jedes frühere Arbeitsverhältnis einer wirksamen Befristung entgegensteht. Auch erwähnt das Gesetz an keiner Stelle eine Dreijahresgrenze für das Zuvor-Beschäftigungsverbot. Durch eine Vorlage des Arbeitsgericht Braunschweig und die Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg, das die vom Bundesarbeitsgericht ermittelte Dreijahresgrenze anwandte, kam die Frage der verfassungskonformen Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zum Bundesverfassungsgericht.

Bundesverfassungsgericht: „Nie“ heißt auch „nie“

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) fielen sehr eindeutig aus: Es kippte die Dreijahresgrenze und hielt fest: Wenn der Gesetzgeber „nicht bereits zuvor“ schreibt, können die Gerichte nicht einfach eine Zeitgrenze einführen. Daneben stellte es auch fest, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungskonform ist.

Ein kleines Hintertürchen ließ das höchste Deutsche Gericht aber offen: Wenn die Zuvorbeschäftigung

  • extrem lange zurückliegt,
  • und/oder vollkommen anders ausgestaltet
  • und/oder von sehr kurzer Dauer war,

kann im Einzelfall davon auszugehen sein, dass sie der Befristung nicht schadet. Es ist hierbei z.B. an eine Anstellung als Werkstudent oder Aushilfe für wenige Monate zu denken, die bereits zehn Jahre zurückliegt. Eine spätere sachgrundlos befristete Anstellung, z.B. als Ingenieur, wäre in diesem Fall später wohl möglich.

… und so sieht es jetzt auch das Bundesarbeitsgericht

In der aktuellen Entscheidung blieb dem Bundesarbeitsgericht nichts anderes übrig, als die eindeutigen Worte des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen und von der Fortführung der Dreijahresgrenze abzusehen. Verband Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon einmal ein Arbeitsverhältnis, ist der später abgeschlossene sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag auch dann unwirksam, wenn das vorherige Arbeitsverhältnis bereits seit mehr als drei Jahren beendet ist. In dem konkreten Fall ging es um die Entfristungsklage eines Mitarbeiters, der acht Jahre zuvor in einem anderthalb Jahre dauernden Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber gestanden hatte. Die sachgrundlose Befristung wurde von allen drei Instanzen, zuletzt vom Bundesarbeitsgericht für unwirksam erklärt.

Übrigens gibt es nach dem neuesten Urteil des Bundesarbeitsgerichts leider keinen Vertrauensschutz für diejenigen Arbeitgeber, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung bereits sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse mit ehemaligen Mitarbeitern abgeschlossen haben, deren letzter Arbeitsvertrag seit mehr als drei Jahren beendet war. Auch diese Befristungen sind unwirksam – es sei denn, es gibt einen Sachgrund für die vorübergehende Beschäftigung.

Praxishinweise

Erster Tipp: Vorsicht mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen. Sie dürfen nur abgeschlossen werden, wenn sicher ist, dass der Arbeitnehmer nicht schon einmal angestellt war. Kann das nicht sicher ausgeschlossen werden, sollte ein befristeter Arbeitsvertrag nur dann abgeschlossen werden, wenn es für die Befristung einen Sachgrund gibt.

Zweiter Tipp: Da häufig (durch nicht aufbewahrte Personalunterlagen, personellem Wechsel in der Personalabteilung usw.) nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob ein Kandidat schon einmal beschäftigt war, empfiehlt es sich, den Mitarbeiter vor Vertragsschluss um eine schriftliche Bestätigung zu bitten, dass er in der Vergangenheit kein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber hatte.

Dritter Tipp: Es ist ratsam, bei einer etwaigen Zuvorbeschäftigung genau zu prüfen, ob diese tatsächlich eine sachgrundlose Befristung verhindert: § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG untersagt die Zuvorbeschäftigung (nur) bei demselben Vertragsarbeitgeber. Damit ist die vorangegangene Beschäftigung bei derselben natürlichen oder juristischen Person gemeint.

Beispiele: Wurde der Arbeitgeber in der Vergangenheit umfirmiert, handelt es sich weiter um dieselbe juristische Person, eine sachgrundlose Befristung ist also nicht zulässig. Im Konzern hindert die vorangegangene Anstellung bei einem Konzernunternehmen die sachgrundlose Beschäftigung bei einem anderen Konzernunternehmen nicht.

Inga Leopold, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht


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