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Neues Urteil zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Desksharing

07. Oktober 2024

Neues Urteil zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Desksharing

Schon heute haben viele Arbeitnehmende keinen eigenen dauerhaften Arbeitsplatz mehr im Betrieb, sondern suchen sich jeden Morgen aufs Neue einen geeigneten Platz auf einer gemeinsam genutzten Fläche zum Arbeiten aus oder buchen den Arbeitsplatz von unterwegs aus. Das Konzept des Desk-Sharing wird wohl auch in Zukunft weiterhin vielfach Einzug in Unternehmen finden, denn es erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Ziel ist es, die Kommunikation und Vernetzung unter den Kollegen zu fördern und etablierte Organisationsmuster zu lockern. Aber auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle, da die Anzahl der Mitarbeitenden im Home-Office stetig wächst und durch eine Reduzierung der Gesamtzahl der Arbeitsplätze und eine Verdichtung der Räumlichkeiten Kosten gesenkt werden können.

Wird ein Desk-Sharing Konzept in Betrieben mit Betriebsrat eingeführt, stellt sich unmittelbar die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Betriebsrat dabei beteiligt werden muss. Kann er unter Umständen sogar verhindern, dass es künftig statt individuell zugeordneten Arbeitsplätzen ein Desksharing-Konzept gibt?

Ein aktueller Beschluss des LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 06.08.2024 – 21 TaBV 7/24) bringt etwas Licht ins Dunkle.

I. Worum ging es?

Die Arbeitgeberin hatte dem Betriebsrat im Oktober 2023 eine Präsentation zu einem neuen Büro-Konzept vorgelegt. In dem Betrieb waren bereits Großraumbüros vorhanden, jedoch waren die Arbeitsplätze fest zugeordnet und es waren teilweise Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen montiert. Künftig sollen die Nutzungsflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert werden. Es sollen insbesondere „Desk-Sharing“ und eine „Clean-Desk-Policy“ eingeführt werden. Die Clean-Desk-Policy schreibt vor, dass die Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz am Ende ihrer Arbeitszeit freizuräumen haben.

Der Betriebsrat beantragte die Einsetzung einer Einigungsstelle, da er das Vorhaben aufgrund folgender Mitbestimmungstatbestände als mitbestimmungspflichtig ansah: § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 111 BetrVG.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen und hielt die Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig. Es lehnte sämtliche vom Betriebsrat genannten Mitbestimmungsrechte ab.

Gegen diesen Beschluss legte der Betriebsrat Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein.

II. Der Beschluss des LAG Baden-Württemberg

Die Beschwerde des Betriebsrates hat das LAG Baden-Württemberg für teilweise begründet gehalten. Es ist der Ansicht, dass zwar nicht die gesamte Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts und insbesondere nicht das Desk-Sharing an sich und ebenso wenig die gesamte Clean-Desk-Policy der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Das Konzept enthalte aber zwei der Mitbestimmung unterliegende Teilbereiche, die aus dem Konzept herausgelöst werden könnten, ohne dass das Konzept damit als Ganzes zerstört wäre. Es handelt sich um die Themen „Ordnung hinsichtlich von den Arbeitnehmern eingebrachter persönlicher Gegenstände im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts“ sowie „Ordnung hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit sogenannten überlagernden Nutzungen im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts“.

  1. Teilbereich – Einbringung persönlicher Gegenstände

    Für den ersten Teilbereich bestehe die Möglichkeit, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zusteht. Die Norm räumt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht ein, soweit es um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geht.

    Das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter könnte tangiert sein, da der Arbeitgeber das Verhalten der Arbeitnehmer schon allein durch Art und Größe des Raumes, in den die persönlichen Gegenstände verbracht werden können, wenn sie nicht jeden Tag wieder mit nach Hause genommen werden, hier also die Unterbringungsform „Locker“ und die Größe dieses Lockers steuere. Es sei keineswegs klar, dass die Frage, wie die privaten Gegenstände untergebracht werden sollen, nicht zum Ordnungsverhalten zähle.

  2. Teilbereich – Doppelwidmung derselben Betriebsfläche

    Außerdem könne das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter betroffen sein, da laut dem Planungskonzept die Bürofläche in die Nutzungsbereiche Ankommen, Arbeiten, Community und Austausch gegliedert sei. Die Übergänge dieser Bereiche seien in der Regel fließend und je nach Flächengröße seien auch überlagernde Nutzungen denkbar. Dieses Konzept schließe es nicht aus, dass Arbeitnehmer, die die Bürofläche als Pausenraum nutzen, unweigerlich ein fachbezogenes Pausengespräch oder die reguläre Arbeit von Kollegen miterleben und ihr Pausenverhalten an diese weiteren Nutzungen anpassen müssen. Dadurch sei nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass der Schwerpunkt der Flächenwidmung in der Steuerung des Arbeitsverhaltens läge. Vielmehr komme in Betracht, dass das Ordnungsverhalten betroffen sei, da Arbeitnehmer durch die Überschneidung der Nutzungszwecke zum spontanen Arbeiten (Spontanmeetings) ermuntert würden. Konkret sei nicht ausgeschlossen, dass das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer betroffen sei.

    Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 6, 7 BetrVG lehnte das LAG Baden-Württemberg dagegen – wie schon das Arbeitsgericht in der ersten Instanz – ab.

III. Folgen für die Praxis

Das LAG Baden-Württemberg macht deutlich, dass die Einführung von Desk-Sharing sowie die Einführung einer Clean-Desk-Policy per se nicht mitbestimmungspflichtig sind. Dem ist zuzustimmen. Ob die konkreten Umstände im Einzelfall dazu führen, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt sind, wird man nicht pauschal beantworten können, sondern im jeweiligen Einzelfall näher beleuchten müssen.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates kann sich im Zusammenhang mit Desk-Sharing-Konzepten daneben auch dann ergeben, wenn Buchungstools zum Einsatz kommen, über die die Mitarbeitenden sich einen Arbeitsplatz online buchen können. Diese können je nach Ausgestaltung eine technische Einrichtung darstellen, die geeignet ist, das Verhalten der Arbeitnehmenden zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht kann sich dann aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben.

Und kann der Betriebsrat nun durchsetzen, dass es bei der Zuordnung von individuellen Arbeitsplätzen bleibt? Ja, wenn man – wie das LAG – in der Aufteilung in mehrere Nutzungsbereiche das Ordnungsverhalten des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berührt sieht. Dann muss der Betriebsrat vor einer Umwidmung der Fläche zustimmen und kann anderenfalls vom Arbeitgeber eine Unterlassung der Einführung des neuen Konzepts verlangen. Wenn das Desk-Sharing allerdings einfach im bestehenden Raumkonzept stattfindet, wird der Betriebsrat keine Möglichkeit haben, die Einführung zu verhindern.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Usadel

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