Anlässlich eines kürzlich vom BGH erlassenen Urteils (BGH, Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22) zur Aufhebung der Freisprüche von vier VW-Personalmanagern, denen Untreue gem. § 266 StGB vorgeworden worden ist, ist die korrekte Vergütung von Betriebsräten (erneut) in aller Munde. Mangels konkreter Vorgaben im Gesetz lohnt es sich, die Argumentation des BGH näher zu betrachten.
Innerhalb des VW-Konzerns wurden den freigestellten Betriebsräten im Zeitraum von 2011-2016 überhöhte Bezüge und Boni gewährt, die die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. Die gezahlten Boni für die Arbeitnehmervertreter bewegten sich zwischen 80.000 und 560.000 Euro im Jahr. Die Staatsanwaltschaft warf den verantwortlichen Managern Untreue vor, wovon das Landgericht sie aber freigesprochen hatte. Ihre irrige Überzeugung, pflichtgemäß und gesetzeskonform zu handeln, ließe dem Landgericht zufolge den erforderlichen Vorsatz zur Verwirklichung des Untreue-Tatbestandes entfallen.
Der BGH urteilte dann in der nächsten Instanz, dass die Freisprüche der Vorinstanz aufzuheben seien, da die vom Landgericht getroffenen Urteilsfeststellungen zu den objektiven Voraussetzungen des Untreuetatbestandes nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Dadurch war es dem BGH nicht möglich, selbst zu bewerten, ob die monatlichen Entgelte und Bonuszahlungen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widersprachen. Der Fall wurde daher zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Um den Vorwurf der Untreue zu verstehen, muss ein Blick ins Gesetz geworfen werden. Schnell erkennt man allerdings, dass die Vorschriften zur Vergütung von Betriebsräten nicht viel hergeben. So ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dazu im Wesentlichen folgendes geregelt:
Folglich ist der freigestellte Betriebsrat anfangs so zu vergüten, wie er vor Beginn seiner Betriebsratstätigkeit vertragsmäßig vergütet worden ist (Entgeltausfallprinzip). Dazu gehören auch Gratifikationen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder andere bisherige Sachbezüge. Bestehen erfolgsabhängige Provisions- oder Zielvereinbarungen, so sind auch daraus resultierende Prämien fortzuzahlen. Maßgeblich ist hierbei der hypothetische Erfolg des Betriebsrates bei Fortführung seiner ursprünglichen Tätigkeit.
Im weiteren Verlauf der Betriebsratstätigkeit ist die Vergütung dann an der beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb zu orientieren.
Der BGH führt im o.g. Urteil aus, dass an die Vergütung von Betriebsräten im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit ein strenger Maßstab abzulegen sei. Dieser verbietet es, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar ist vielmehr nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt hat und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert war.
Üblich ist eine Entwicklung, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung genommen hat. Diese Regeln gelten auch für Beförderungen. Ein Aufstieg ist insbesondere nur dann betriebsüblich, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen erreicht hat. Die Zahlung einer höheren Vergütung setzt voraus, dass der Betriebsrat nur infolge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen ist. Darüber hinaus gehende Vergütungserhöhungen verstoßen gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG.
Diese Grundsätze gelten für Betriebsratsvorsitzende ebenso wie für „einfache“ Betriebsratsmitglieder. Dabei ist zu beachten, dass das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG nicht dispositiv ist. Vereinbarungen, die bspw. auch nur mittelbare Zuwendungen eines geldwerten Vorteils garantieren und damit den o.g. Grundsätzen widersprechen, sind daher verboten und gem. § 134 BGB nichtig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien wussten oder gar beabsichtigten, dass in der Vereinbarung eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt. Folge einer nichtigen Vereinbarung wäre die Verpflichtung, diese für die Zukunft rechtssicher anzupassen. Unterbleibt eine solche Anpassung, kann dies u.a. strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie das hier angeführte Urteil des BGH unterstreicht. Außerdem können im Einzelfall bereits gezahlte überzogene Vergütungen zurückzugewähren sein.
Arbeitgeber sollten vor dem Hintergrund der Entscheidung etwaig bestehende abweichende Vergütungsstrukturen für Betriebsratsmitglieder dringend überprüfen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen umsetzen. Vergütungserhöhungen oder die Ausschüttung von Boni, die nicht durch einen Vergleich mit der hypothetischen Karriereentwicklung anhand vergleichbarer Arbeitnehmer gerechtfertigt sind, tragen ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko für die handelnden Personen in sich. Der Vorsatz zur Untreue (§ 266 StGB) kann nach dem BGH auch dann bestehen, wenn sich die Verantwortlichen zuvor externe Beratung und entsprechende Rechtsgutachten einholen, die die Vergütungspraxis als rechtmäßig ausweist. Diese dürfen nicht als „Freischein“ zur unrechtmäßigen Vergütung genutzt werden. Letztlich ist also allein relevant, ob die Vergütungsstrukturen für Betriebsratsmitglieder den Anforderungen entsprechen, die das BetrVG normiert und der BGH nun konkretisiert hat. Empfehlenswert ist eine genaue Dokumentation der jeweilig herangezogenen Vergleichsgruppe als Grundlage der Vergütung der Betriebsratsmitglieder.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und stud. iur. Maike Usadel
Kurt-Schumacher-Str. 22
53113 Bonn
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