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Die Entgelttransparenzrichtlinie der EU – Besteht schon jetzt Handlungsbedarf für Arbeitgeber?

20. August 2025

Die Entgelttransparenzrichtlinie der EU – Besteht schon jetzt Handlungsbedarf für Arbeitgeber?

Am 06. Juni 2023 trat die Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) (nachfolgend RL) in Kraft. Sie soll geschlechtsspezifische Lohndiskriminierungen beenden und dafür sorgen, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit von Männern und Frauen unterschiedslos vergütet wird. Die EU-Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten bis zum 07. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland wird die Umsetzung voraussichtlich durch eine Überarbeitung des Entgelttransparenzgesetzes erfolgen. Es wird derzeit damit gerechnet, dass Ende 2025/Anfang 2026 ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Davon ausgehend, dass Deutschland die Richtlinie fristgerecht in nationales Recht umsetzen wird, lohnt es sich, die zu erwartenden Regelungen schon einmal in den Blick zu nehmen, um möglichen Handlungsbedarf zu identifizieren:

1. Lohnstrukturen, die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleisten

Nach der Zielsetzung der RL sollen Arbeitgeber über Lohnstrukturen verfügen, die die gleiche Bezahlung von gleicher und gleichwertiger Arbeit gewährleisten (Art. 4 RL). Diese Lohnstrukturen sollen so beschaffen sein, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien, die bei Vorhandensein einer Personalvertretung (Betriebs- oder Personalrat, Mitarbeitervertretung) mit dieser vereinbart wurden, beurteilt werden kann, ob Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Geschlecht vergütet werden. Zu diesen Kriterien gehören:

  • Kompetenzen,
  • Belastungen,
  • Verantwortung,
  • Arbeitsbedingungen,
  • Soziale Kompetenzen
  • sowie ggf. weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind.

Arbeitgeber sollten schon jetzt bewerten, ob die in ihrem Unternehmen existierenden Lohn- oder Vergütungsstrukturen gewährleisten, dass das Entgelt unabhängig vom Geschlecht bestimmt wird und stattdessen objektive, geschlechtsneutrale Kriterien maßgebend sind (z.B. die in der RL genannten Kriterien).

Arbeitgeber ohne Vergütungsstruktur sollten sich damit auseinandersetzen, eine Struktur einzuführen. Wird das Gehalt nach „Gutdünken“ oder Verhandlungsgeschick des Bewerbers bestimmt, wird sich im Streitfall kaum nachweisen lassen, dass objektive, geschlechtsneutrale Kriterien maßgebend waren.

An die (rechtzeitige) Beteiligung der zuständigen Personalvertretung denken, wenn Lohnstrukturen eingeführt oder geändert werden sollen.

2. Informationsanspruch von Bewerbern

Bislang haben lediglich bereits beschäftigte Arbeitnehmer einen Informationsanspruch über das durchschnittliche Gehalt einer vergleichbaren Gruppe des jeweils anderen Geschlechts (vgl. § 10 Abs. 1 EntgTranspG). Dies gilt laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG) auch für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte (BAG, Beschl. v. 25.06.2020, Az. 8 AZR 145/19).

Künftig sollen auch Stellenbewerber einen Anspruch auf Information

  • über das Einstiegsgehalt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne
  • sowie (falls einschlägig) die Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags

haben.

Die Informationspflicht kann, muss aber nicht durch die veröffentlichte Stellenausschreibung erfüllt werden. Wer das Gehalt für eine Stelle nicht veröffentlichen möchte, wird diese Information Bewerbern auch auf anderem Weg zukommen lassen können – zumindest, wenn sich der deutsche Gesetzgeber nicht für eine Verschärfung der Vorgaben aus der RL entscheidet.

Wichtig ist, dass durch diese Bestimmung der RL die Lohngestaltung nicht eingeschränkt werden soll. Es bleibt möglich, eine Vergütung außerhalb der mitgeteilten Spanne zu vereinbaren.

Des Weiteren soll es Arbeitgebern ausdrücklich untersagt werden, Bewerber nach ihrer Entgeltentwicklung in ihrem laufenden oder in früheren Beschäftigungsverhältnissen zu befragen (Art. 5 Abs. 2 RL).

Die Frage nach dem aktuellen oder früheren Gehalt ist allerdings auch schon nach jetziger Rechtslage nicht vom Fragerecht des Arbeitgebers umfasst. Sollte das Entgelttransparenzgesetz dieses Verbot nach der Umsetzung der RL also künftig beinhalten, würde dadurch die geltende Rechtslage lediglich in Gesetzesrecht kodifiziert. Ob der deutsche Gesetzgeber zusätzlich eine gesonderte Sanktion, z.B. ein Bußgeld, aufnimmt, muss abgewartet werden.

3. Information über die Kriterien für die Festlegung der Entgelthöhe und der Entgeltentwicklung

Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitnehmern werden ihren Arbeitnehmern Informationen über die Kriterien für die Festlegung ihres Gehalts, der Gehaltshöhe und ihrer Gehaltsentwicklung in leicht zugänglicher Weise und unaufgefordert zur Verfügung stellen müssen. Die Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein. (Art. 6 RL)

Diese Pflicht ist neu! Sie wirkt zusammen mit der oben unter 1. erläuterten Pflicht, geschlechtsneutrale Entgeltstrukturen einzuführen. Nur wenn Unternehmen über geschlechtsneutrale Entgeltstrukturen verfügen, können Sie die Arbeitnehmer über diese informieren.

Wichtig: Die Informationen sollen unaufgefordert zur Verfügung gestellt werden; abhängig von der Konkretisierung durch den deutschen Gesetzgeber wäre folglich denkbar, entweder den Arbeitsvertrag um einen entsprechenden Absatz zu ergänzen oder in den Einstellungsprozess ein kurzes Informationsschreiben zu diesem Thema zu integrieren (ähnlich wie bei der Erfüllung der Pflichten aus dem Nachweisgesetz).

Möglich, aber nicht unbedingt zu erwarten, ist, dass der deutsche Gesetzgeber diese Pflicht auch für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern einführt. Diese sollten die weitere Entwicklung im Gesetzgebungsprozess besonders aufmerksam beobachten.

Wesentlich ist daneben das Auskunftsrecht der Arbeitnehmer über die individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittlichen Entgelthöhen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie der Auskunftsberechtigte verrichten (Art. 7 RL). Diese Informationen sind auf Verlangen schriftlich und innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung zu erteilen.

Dieses Auskunftsrecht geht deutlich über den im deutschen Recht (vgl. §§ 10 ff. EntgTranspG) bereits verankerten Auskunftsanspruch hinaus: Dieser bezieht sich inhaltlich nur auf den statistischen Median und nicht auf ein durchschnittliches Entgelt (§ 11 Abs. 3 EntgTranspG). Zudem besteht der Auskunftsanspruch bislang nur für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten (§ 12 Abs. 1 EntgTranspG), während die RL keine Begrenzung vorsieht.

Außerdem sollen Arbeitnehmer nicht daran gehindert werden dürfen, ihr eigenes Entgelt offenzulegen. Etwaig anderslautende Vertragsbedingungen sollen durch den nationalen Gesetzgeber untersagt werden.

Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln, die die Arbeitnehmer verpflichten sollen, Stillschweigen über ihr Gehalt zu wahren. Die Wirksamkeit war schon nach bisheriger Rechtslage umstritten. Sollte ein ausdrückliches Verbot in Kraft treten, sollten Arbeitsverträge in diesem Punkt angepasst werden.

4. Pflicht zur Berichterstattung

Gestaffelt nach der Unternehmensgröße sollen Arbeitgeber – frühestens zum 7. Juni 2027, danach im jährlichen bzw. dreijährigen Turnus, Bericht über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle erstatten (Art. 9 RL):

  • Arbeitgeber mit weniger als 100 Arbeitnehmer: keine Berichtspflichten (nach der RL – es wäre möglich, dass der deutsche Gesetzgeber dennoch eine Berichtspflicht regelt).
  • Arbeitgeber mit 100 bis 149 Arbeitnehmer: erstmals zum 07. Juni 2031 / danach alle drei Jahre
  • Arbeitgeber mit 150 bis 249 Arbeitnehmer: erstmals zum 07. Juni 2027 / danach alle drei Jahre
  • Arbeitgeber mit 250 und mehr Arbeitnehmer: erstmals zum 07. Juni 2027 / danach jährlich

Berichterstattungspflichten trafen bisher lediglich Arbeitgeber mit über 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264 und 289 HGB verpflichtet sind, sodass sich eine deutliche Erweiterung der Berichtserstattungspflichten abzeichnet.

5. Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche

Die RL verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU, einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch für Arbeitnehmer zu normieren, die durch die Verletzung von Rechten oder Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts einen Schaden erlitten haben (Art. 16 Abs. 1 RL). Arbeitnehmer sollen so gestellt werden, wie sie stünden, wenn eine Entgeltdiskriminierung nicht stattgefunden hätte. Dieser Anspruch muss die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte inklusive etwaiger Bonuszahlungen oder Sachleistungen sowie Ersatz für entgangene Chancen und immaterielle Schäden sowie Verzugszinsen beinhalten. Der Schadensersatz oder die Entschädigung dürfen dabei nicht durch eine vorab festgelegte Obergrenze beschränkt werden. Daneben werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, weitere wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen, die im Falle der Verletzung der Arbeitnehmerrechte durch den Arbeitgeber auch Geldbußen beinhalten können (Art. 23 RL).

6. Beweislast

Der Arbeitgeber soll im Streitfall beweisen müssen, dass keine mittelbare oder unmittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt, nachdem der Arbeitnehmer Indizien zu einer Diskriminierung dargelegt hat (Art. 18 RL). Das bedeutet eine deutliche Verschärfung der bisherigen Rechtslage, da das EntgTranspG eine solche Beweislastumkehr bislang nur vorsieht, wenn ein Arbeitgeber, der keinen Tarifvertrag anwendet, gegen die Auskunftspflicht aus § 10 EntgTranspG verstößt.

Umso wichtiger wird es sein, schon die Entstehung von Indizien für eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung beim Lohn zu vermeiden. Gibt es sachliche Gründe, die zu einer unterschiedlichen Entgelthöhe führen, sollten diese sorgfältig dokumentiert werden, damit belegt werden kann, dass die unterschiedliche Bezahlung nicht auf einer Diskriminierung wegen des Geschlechts beruht.

7. Kostentragung im Gerichtsverfahren

In Art. 22 hält die RL noch eine überraschende Regel zur Kostentragung in Gerichtsverfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen wegen Entgeltdiskriminierung bereit: Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass die Gerichte die Möglichkeit haben, in Fällen, in denen der Arbeitgeber ein solches Verfahren gewinnt (!), festzulegen, dass der unterlegene Arbeitnehmer die Verfahrenskosten nicht tragen muss. Das soll dann möglich sein, wenn der Arbeitnehmer „berechtigte Gründe“ hatte, den Anspruch geltend zu machen. Ob dies zur Folge haben wird, dass der Arbeitgeber auch die Anwaltskosten des unterlegenen Arbeitnehmers tragen muss, muss abgewartet werden. „Verfahrenskosten“ dürfte sich nach gewöhnlichem Sprachgebrauch in erster Linie auf die Gerichtskosten beziehen. Außergewöhnlich ist diese Maßgabe allemal – ist es doch ein etablierter und als gerecht empfundener Grundsatz, dass der Verlierer die Kosten eines Gerichtsverfahrens tragen muss. Dieser Grundsatz wird im Arbeitsrecht durch § 12a ArbGG ohnehin schon aufgeweicht – hier trägt in der ersten Instanz immer jede Partei ihre Kosten selbst. Dem Gewinner eines Verfahrens zusätzlich noch die Gerichtskosten oder gar die Anwaltskosten der Gegenseite aufzuerlegen, geht darüber noch einmal weit hinaus.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold, wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Usadel und stud. iur. Hermine Kidiapongo

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