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Das 4. Bürokratieentlastungsgesetz: Mehr Digitalisierung wagen (?!)


Das 4. Bürokratieentlastungsgesetz: Mehr Digitalisierung wagen (?!)

Am 18. Oktober 2024 stimmte der Bundesrat dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) zu. Es soll Arbeitsabläufe vereinfachen und die Bürokratie verringern. In dem Sinne möchte der Gesetzgeber der Digitalisierung auch im Arbeitsrecht mehr Raum geben; dazu werden ab dem 1. Januar 2025 an mehreren Stellen die Formvorschriften geändert:

  1. Ausgangspunkt

    Zum besseren Verständnis stellen wir zunächst noch einmal die verschiedenen Formerfordernisse vor, die das BGB regelt:

    • Ein Dokument genügt der „Schriftform“, wenn der Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet hat. Bedarf ein Vertrag der Schriftform müssen beide Seiten unterzeichnen: Entweder auf derselben Urkunde oder in der Form, dass sie der jeweils anderen Seite ein unterschriebenes Exemplar zukommen lassen.
    • Die Textform (§ 126b BGB) ist gewahrt, wenn der Erklärende genannt ist und die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert und nach dem Versand nicht mehr zu verändern ist. Dies ist z.B. bei einer E-Mail oder einem Fax der Fall. Für WhatsApp gilt das jedoch aufgrund der „Bearbeiten“-Funktion nach einem Versand nicht.
    • Für die elektronische Form muss der Aussteller einem Dokument seinen Namen hinzufügen und es qualifiziert elektronisch signieren (§ 126a BGB). Durch diese Signatur unterscheidet sich die elektronische Form erheblich von der Textform. Denn das Besondere an der elektronischen Form ist, dass für jede qualifizierte elektronische Signatur ein individuelles Zertifikat ausgestellt wird. Aus dem Zertifikat ist – unabänderlich – der Aussteller, aber auch das Ausstellungsdatum zu entnehmen. Dieses Zertifikat ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen; man kann es aber im Internet auslesen und hierüber herausfinden, ob, wann und durch wen ein Dokument qualifiziert elektronisch signiert wurde.

      Eine qualifizierte elektronische Signatur ist bei sog. Vertrauensanbietern zu erhalten. In der Praxis ist eine solche Signatur bei Privatpersonen bislang allerdings kaum anzutreffen und auch viele Unternehmen verfügen noch nicht über diese Option.

  2. Was gilt demnächst?

    Der Gesetzgeber wird das Schriftformerfordernis an verschiedenen Stellen aufgeben und stattdessen die Möglichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur zulassen. Das soll die Arbeitsabläufe beschleunigen und vereinfachen:

    1. Nachweisgesetz

      Nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG gilt noch für Neuverträge und Vertragsänderungen bis zum 31. Dezember 2024, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen in Schriftform festgehalten werden müssen.

      Ab dem 1. Januar 2025 ist es zulässig, einem Arbeitnehmer die wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform zukommen zu lassen. Dadurch wird es möglich, die nachzuweisenden Arbeitsbedingungen– sowohl bei der Einstellung als auch späteren Vertragsänderungen – an die Arbeitnehmer zu senden. Es genügt also insbesondere eine E-Mail. Dabei sind allerdings einige Voraussetzungen zu beachten:

      • Zunächst einmal ist erforderlich, dass das Dokument für den Arbeitnehmer gespeichert und ausgedruckt werden kann. Das dürfte in der Praxis bei dem Versand eines üblichen pdf-Dokuments keine Probleme aufwerfen.
      • Zusätzlich muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordern, den Empfang des Nachweises zu bestätigen. Glücklicherweise genügt dabei schon die Aufforderung; ob der Arbeitnehmer dem Empfang auch bestätigt, ist hingegen nach dem Wortlaut des neuen § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG unerheblich.
      • Trotz dieser Erleichterungen trägt der Arbeitgeber nach bisherigen Maßstäben die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er dem Arbeitnehmer den Nachweis ordnungsgemäß erteilt hat. Daran wird die Rechtsprechung wahrscheinlich auch in Zukunft festhalten. Der Arbeitgeber muss dann beweisen können, dass der Arbeitnehmer seine E-Mail und die Nachweise erhalten hat. Die in Outlook übliche „Übermittlungsbestätigung“ ist dafür eine Mindestvoraussetzung, als Beweis nach den derzeitigen Maßstäben aber nicht ausreichend. Eine „Lesebestätigung“ ist besser, aber unzuverlässig, weil niemand in Outlook eine erbetene Bestätigung abgeben muss; einige Devices (z.B. Smartphones) und Mail-Programme sehen die Möglichkeit zur Lesebestätigung nicht einmal vor. Insoweit steht der Praxistest für die neue Nachweisform aus.

      Beachten Sie bitte: Arbeitnehmer dürfen künftig eine schriftliche Fassung der Nachweise verlangen. In dem Fall sind Arbeitgeber weiter verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Nachweise schriftlich zukommen zu lassen.

      An den Bußgeldvorschriften wird sich nichts ändern. Wenn Nachweise nicht, nicht vollständig oder in der falschen Form erteilt werden, droht ein Bußgeld von bis zu 2.000 € im Einzelfall. Es ist übrigens auch dann zu entrichten, wenn der Arbeitgeber den ordnungsgemäßen Nachweis nicht beweisen kann.

    2. Befristung und Regelaltersgrenze

      Nach § 14 Abs. 4 TzBfG unterliegen Befristungsabreden dem Schriftformerfordernis. Ist eine Befristungsabrede nicht oder nicht rechtzeitig von beiden Seiten unterzeichnet worden, ist die Befristungsvereinbarung unwirksam.

      Das gilt nicht nur für die üblichen Befristungen mit oder ohne Sachgrund, sondern – jedenfalls bis Ende 2024 – auch für Vereinbarungen, nach denen ein Arbeitsvertrag mit dem Erreichen des Rentenalters endet. Denn auch bei diesen Absprachen handelt es sich nach der Rechtsprechung um eine (Alters-) Befristung. Nicht selten dürften Altersbefristungen mangels Schriftform bislang unwirksam gewesen sein.

      Ab 1. Januar 2025 genügt nach § 41 Abs. 2 SGB VI für die Vereinbarung einer Regelaltersbefristung die Textform. Daher können Arbeitsverträge deutlich leichter per E-Mail geschlossen werden. Sie gelten dann trotzdem als auf das Erreichen des Regelrentenalters geschlossen. Für ein früheres Befristungsende braucht es allerdings – wie bisher – u.a. ein von beiden Seiten im Original unterschriebenes Dokument.

    3. Elternzeit

      Auch im Rahmen des BEEG gibt es künftig Formerleichterungen. So kann ein Antrag auf Elternzeit gestellt und auch die Ablehnung einer Teilzeit während der Elternzeit künftig in Textform – also insbesondere per E-Mail – mitgeteilt werden. Bei der Ablehnung ist allerdings – wie schon bisher – daran zu denken, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung rechtzeitig mitteilt und begründet. Die Beweislast für den (rechtzeitigen) Zugang trägt der Arbeitgeber.

      Entscheidendes Datum für diese Änderungen ist der 1. Mai 2025. Denn die erleichterte Form gilt nur für Kinder, die ab dem 1. Mai 2025 geboren werden. Es sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden:

      • Ist das Kind, für das Elternzeit beantragt wird, bereits im Jahr 2024 oder früher geboren, gilt weiterhin die Schriftform. Das gilt auch für die Verlängerung einer bereits laufenden Elternzeit.
      • Ist das Kind für Ende April 2025 ausgezählt, kommt aber erst im Mai 2025 zur Welt, gilt im Prinzip die Textform. Beantragt das Elternteil allerdings bereits vor dem 1. Mai 2025 Elternzeit, muss es den Antrag auf Elternzeit trotzdem weiterhin in Schriftform stellen. Für die Textform muss also das Kind nach dem 1. Mai 2025 geboren und auch der Antrag nach dem 1. Mai 2025 gestellt sein.
      • Weniger Fallstricke weist auch die Konstellation auf, in der das Kind für den Mai 2025 ausgerechnet war und auch erst im Mai 2025 zur Welt kommt und damit grundsätzlich ein Antrag in Textform genügen würde. Reichen die Eltern jedoch vor dem 1. Mai 2025 einen Antrag ein, muss dieser noch dem Schriftformerfordernis genügen.
      • Ist das Kind für Mai 2025 ausgezählt, kommt aber im April 2025 zur Welt, ist ein Antrag in Textform stets formunwirksam. Unabhängig von der Antragstellung gilt noch die bisherige Schriftform.
      • Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Elternteilzeit. Beantragt ein Elternteil Elternteilzeit für ein Kind, das vor dem 1. Mai 2025 geboren ist, für die Zeit nach dem 1. Mai 2025, gilt auch weiterhin die Schriftform. Maßgeblich ist auch hier das Geburtsdatum des Kindes. Obwohl der Gesetzgeber also Erleichterungen schaffen und die Bürokratie abbauen wollte, ist gerade in der Übergangszeit jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen.
    4. Mutterschutz

      Im Rahmen des Mutterschutzgesetzes entfällt die Pflicht zu einer anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung im Mutterschutz nach § 10 MuSchG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine vom Ausschuss für Mutterschutz veröffentlichte Regel oder Erkenntnis festlegt, dass eine schwangere oder stillende Frau eine bestimmte Tätigkeit nicht ausüben oder einer Arbeitsbedingung nicht ausgesetzt sein darf.

      Der Arbeitgeber prüft also ab 1. Januar 2025, ob bereits eine veröffentliche Regel oder Erkenntnis vorliegt, dass eine schwangere Arbeitnehmerin eine bestimmte Tätigkeit nicht mehr ausüben darf. Ist dies der Fall, ermöglicht der neue § 10 MuSchG dem Arbeitgeber, von einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung abzusehen. Er ist lediglich verpflichtet, dies im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu dokumentieren.

    5. Zeugnis

      Dass Arbeitnehmern bei Vertragsende ein Zeugnis zu erteilen ist, ist keine Neuigkeit. Bislang war die Zeugniserteilung allerdings nur schriftlich möglich. Es bedurfte immer eines Originals mit Unterschrift, selbst wenn Bewerbungsunterlagen heutzutage in aller Regel digital eingereicht werden.

      Ab dem 1. Januar 2025 können Zeugnisse auch in elektronischer Form, d.h. mit qualifizierter elektronischer Signatur, erteilt werden, wenn der Arbeitnehmer das verlangt. Arbeitgeber können dazu vor dem Zeugnisversand fragen, ob der Arbeitnehmer mit einer elektronischen Fassung einverstanden ist; sie können sich aber bei der Einstellung auch schon im Arbeitsvertrag die Zustimmung des Mitarbeiters zu einem Zeugnis in elektronischer Form erteilen lassen.

      Zu beachten ist allerdings, dass Zeugnisse bekanntlich „bei“ Vertragsende zu erteilen sind und deshalb grundsätzlich auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses lauten müssen (jedenfalls, wenn das Arbeitszeugnis rechtzeitig angefordert wurde). Dies wird gefordert, um keine versteckten Botschaften in das Zeugnis aufzunehmen; kein neuer Arbeitgeber sollte sich wundern, weshalb die Zeugniserteilung so spät nach dem Vertragsende erfolgte. Da bei der elektronischen Signatur ein Zertifikat erstellt wird, aus dem sich das Ausstellungsdatum ergibt, sollte im Normalfall nicht viel Zeit zwischen dem Vertragsende und der Signierung liegen. Andernfalls bleibt abzuwarten, ob die elektronische Form durch die Gerichte als versteckter Hinweis behandelt wird.

    6. Arbeitszeitgesetz / Jugendarbeitsschutzgesetz

      Nach § 16 ArbZG sind Arbeitgeber bis Ende 2024 noch verpflichtet, einen Abdruck des Arbeitszeitgesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen, für den Betrieb geltenden Rechtsverordnungen und der für den Betrieb geltenden Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen oder auszuhängen. Das galt also insbesondere für alle Regelungswerke, die sich mit der Arbeitszeit in dem Betrieb, der Dienststelle oder Einrichtung befassen.

      Diese mit Bußgeld bewehrte Pflicht wird nun digitaler: Ab dem 1. Mai 2025 genügt es, wenn diese Dokumente für alle Arbeitnehmer eines Betriebs bzw. einer Dienststelle oder Einrichtung auf den üblichen Informations- und Kommunikationswegen – im Zweifel also im Intranet – zur Verfügung stehen.

      Beachten Sie bitte, dass diese Verpflichtung auch im Bereich des Jugendarbeitsschutzes gilt. Zu den Angaben im Intranet gehören also auch eine Kopie des Jugendarbeitsschutzgesetzes, die Bekanntgabe der Aufsichtsbehörde sowie Informationen zur Arbeitszeit und Pausen für Jugendliche.

    7. Pflegezeit/ Familienpflegezeit

      Auch Anträge auf Pflegezeit und Familienpflegezeit können ab dem 1. Januar 2025 in Textform, d.h. per Mail, gestellt werden.

      Die Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung während der Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit bedarf indes auch künftig der Schriftform.

  3. Was bleibt unverändert?

    Auch wenn der Gesetzgeber einige Regelungen geändert hat, bleiben viele andere Formerfordernisse gleich:

    1. Kündigungen / Aufhebungsverträge

      Kündigungen (gleich ob durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) und der Abschluss von Aufhebungsverträgen bedarf auch in Zukunft der Schriftform und muss von beiden Seiten im Original unterzeichnet sein.

    2. Befristungsvereinbarungen

      Das Schriftformgebot für die Befristung eines Arbeitsvertrages wie auch dessen befristete Verlängerung bleibt erhalten; nur die Befristung auf das Rentenalter ist künftig auch per E-Mail möglich.

    3. Widerspruch nach § 613a BGB bei einem Betriebsübergang

      Im Falle eines Betriebsübergangs haben Arbeitnehmer nach Maßgabe von §§ 613a Abs. 6 BGB die Möglichkeit, dem Arbeitgeberwechsel zu widersprechen. Der Widerspruch bedarf der Schriftform.

    4. Tarifliche oder arbeitsvertraglich vereinbarte Schriftform

      Sieht ein Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag verbindlich vor, dass ein Arbeitsvertrag, eine Nebenabrede oder die Vertragsänderung der Schriftform bedarf, wird dieses Formerfordernis durch das 4. Bürokratieentlastungsgesetz nicht verändert.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Sebastian Witt und Rechtsanwältin Charlotte Zimmermann

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