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Corona-Update: Umgang des Arbeitgebers mit Reiserückkehrern

24. August 2020

Die anhaltende Pandemie stellt Arbeitgeber laufend vor neue Herausforderungen. In den Fokus rückt unter anderem der Umgang mit Reiserückkehrern aus Ländern oder Regionen, die vom RKI als Risikogebiet definiert wurden. Im Folgenden werden mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer und Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber dargestellt.

Hat der Arbeitnehmer einen Zahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn er sich in seinem Urlaub im Risikogebiet mit Sars-CoV-2 infiziert?

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer bei einer COVID-19 Infektion Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG. Jedoch kann ein Verschulden des Arbeitnehmers den Ausschluss des Anspruchs zur Folge haben. Verschulden liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoßen hat (BAG 18. März 2015 – 10 AZR 99/ 14). Unternimmt der Arbeitnehmer ohne Notwendigkeit wohlwissend eine Reise in ein vom RKI als Risikogebiet definiertes Land, wird dieser Verschuldensmaßstab erfüllt sein, da er die häusliche Absonderung und damit die Unmöglichkeit der Leistungserbringung bewusst in Kauf genommen hat. Der Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt also.

§ 616 BGB und der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) greifen in diesem Fall ebenfalls nicht. Der Arbeitnehmer soll nur für unverschuldete Entgeltausfälle einen Ausgleich erhalten, nicht aber für einen Ausfall, der nach einer bewussten Urlaubsreise in ein Risikogebiet entsteht.

Etwas anderes gilt, wenn das Reiseland erst nach der Einreise zum Risikogebiet erklärt wird. In diesem Fall wird man kein Verschulden des Arbeitnehmers annehmen können.

Hat der aus einem Risikogebiet zurückgekehrte Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch während er auf ein Testergebnis wartet?

Wer aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreist, muss seit dem 08. August 2020 gemäß der Testpflichtverordnung des Bundesgesundheitsministeriums entweder ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 nachweisen oder innerhalb von 14 Tagen nach der Einreise einen solchen Test machen. Zu beachten ist, dass das RKI ausschließlich Tests aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem sonstigen durch das Robert Koch-Institut unter www.rki.de/covid-19-tests aufgeführten Land anerkennt. Sollte der Arbeitnehmer also in einem Land Urlaub gemacht haben, aus dem die Tests nicht anerkannt werden, wird er diesen in Deutschland nachholen müssen. Bis das Testergebnis da ist, befindet sich der Arbeitnehmer in häuslicher Absonderung, darf also die eigene Wohnung auf keinen Fall verlassen. Für Mitarbeiter, deren Tätigkeit nicht im Home-Office erbracht werden kann oder die keine entsprechende Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber darüber getroffen haben, hat dies zur Folge, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Entsprechend entfällt auch der Anspruch auf das Gehalt („Ohne Arbeit kein Lohn“).

Aus den oben bereits genannten Gründen wird auch kein Anspruch auf Vergütungszahlung der Entschädigung aus §§ 616 BGB, 56 IfSG bestehen. Reist der Arbeitnehmer sehenden Auges in ein Risikogebiet, kann er sich die „Urlaubsverlängerung“ durch Warten auf ein Testergebnis also nicht vom Arbeitgeber finanzieren oder entschädigen lassen. Gleiches dürfte gelten, wenn während der Reise ein Lockdown in dem schon zuvor als Risikogebiet ausgewiesenen Land beschlossen und der Arbeitnehmer so an der Rückreise gehindert wird.

Update vom 09.09.2020:
Am 27.08.2020 haben Bund und Länder in einer gemeinsamen Telefonkonferenz erklärt, dass eine kurzfristige Rechtsänderung dafür sorgen soll, dass es im gesamten Bundesgebiet keine Entschädigung für den Einkommensausfall geben wird, wenn eine häusliche Absonderung aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein – bei Reiseantritt bereits als solches definiertes – Risikogebiet erforderlich wird. Ob und wann eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes erfolgt, ist aktuell allerdings noch unklar. Bisher ist dort der Ausschluss einer Entschädigung für den Einkommensausfall bei bewusster Einreise in ein Risikogebiet nicht konkret angelegt.

Bund und Länder haben sich außerdem darauf verständigt, dass Reiserückkehrer aus Risikogebieten die 14tägige Selbstisolation ab dem 01.10.2020 frühestens ab dem fünften Tag nach Rückkehr durch einen Test vorzeitig beenden können sollen. Dadurch soll dem Problem, dass Infektionen am Ende des Aufenthalts im Risikogebiet oder während der Rückreise nicht erfasst werden, entgegnet werden. Ein Umgehen der Quarantäne durch das Mitbringen eines negativen Testergebnisses oder durch einen kurzfristigen Test bei Einreise ist damit nicht mehr möglich.

Arbeitnehmer, die bewusst in ein Risikogebiet fahren, müssen deshalb ab dem 01.10.2020 mit einem Entgeltausfall von mindestens fünf Tagen rechnen. Das gilt natürlich nur, sofern keine Vereinbarung existiert, dass der Arbeitnehmer in der Zeit der häuslichen Isolation im Home-Office arbeiten kann.

Stellt die bewusste Einreise in ein Risikogebiet einen Abmahnungsgrund dar?

Darüber herrscht in der juristischen Literatur bislang keine Einigkeit. Aus unserer Sicht lässt sich jedoch durchaus vertreten, dass eine bewusste Reise in ein Risikogebiet eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten darstellt, sofern der Arbeitnehmer seine Arbeit aufgrund der Reise und der verpflichtenden häuslichen Absonderung nicht unmittelbar nach seinem Urlaub wieder antreten kann. Hierin kann konkret eine Verletzung der vertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) gesehen werden.

Stellen Verstöße gegen die Einreiseverordnungen der Länder oder die Testpflichtverordnung einen Abmahnungsgrund dar?

Kehrt ein Arbeitnehmer ungeachtet der behördlichen Anordnungen – also, ohne über ein negatives Testergebnis zu verfügen und/ oder sich in Quarantäne begeben zu haben – aus dem Urlaub im Risikogebiet unmittelbar an den Arbeitsplatz zurück, setzt er seine Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen einem erheblichen Gesundheitsrisiko aus. Darin liegt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die zur Abmahnung berechtigt. Die behördlichen Anordnungen gelten selbstverständlich auch im Betrieb.

Trifft den Arbeitgeber eine Hinweispflicht über mögliche Konsequenzen einer geplanten Urlaubsreise in ein Risikogebiet?

Zu einer Aufklärung über mögliche Konsequenzen besteht keine rechtliche Verpflichtung. Trotzdem ist es für den Arbeitgeber ratsam, den Arbeitnehmer vor Reiseantritt über eine Quarantäne- bzw. Testpflicht zu informieren und darauf hinzuweisen, dass Gehaltseinbußen drohen können.

Das dient zum einen dem Zweck, zu verhindern, dass Mitarbeiter aus Unwissenheit ohne Test und Einhaltung der häuslichen Absonderung in den Betrieb kommen und eine etwaige Infektion weiterverbreiten; zum anderen kann von entsprechend informierten Arbeitnehmern verlangt werden, dass sie ihre Urlaubsplanung an die aktuelle Situation anpassen und die Zeit für die häusliche Absonderung nach der Rückkehr einplanen.

Möchte der Arbeitnehmer dennoch in ein Risikogebiet einreisen, sollte er ausreichend Zeit einplanen, um eine Testung auf SARS-CoV-2 vor der Arbeitsaufnahme durchführen zu können. Ein entsprechender Hinweis durch den Arbeitgeber ist sinnvoll.

Darf der Arbeitgeber eine Reise in ein Risikogebiet untersagen?  

Zwar hat der Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers zu nehmen, doch würde der Arbeitgeber im Falle eines derartigen Verbots unangemessen intensiv in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen. Ein Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Reisen in als Risikogebiet ausgewiesene Länder oder Regionen zu untersagen, würde also zu weit gehen. Es bleibt ihm aber unbenommen, eine entsprechende Empfehlung auszusprechen.

Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fragen, ob er sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat?

Damit der Arbeitgeber seiner Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern (§ 618 Abs. 1 BGB, § 3 ArbSchG) gerecht werden kann, steht ihm ein solches Fragerecht nach dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO iVm Art. 9 Abs. 1, Abs. 4 DSGVO und § 26 Abs. 3 Satz 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BDSG zu. Der Arbeitgeber darf danach zwar nicht das genaue Urlaubsziel erfragen, ihm steht aber eine generelle Auskunft zu, ob Arbeitnehmer ihren Urlaub in einem Risikogebiet verbracht haben.

Rechtsanwältin Inga Leopold und stud. iur. Maike Usadel


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