• News
  • Bundesarbeitsgericht: Keine verlängerte Kündigungsfrist für Hausangestellte

Bundesarbeitsgericht: Keine verlängerte Kündigungsfrist für Hausangestellte

14. September 2020

Das Bundesarbeitsgericht hat am 11.06.2020 (Az. 2 AZR 660/19) entschieden, dass bei Arbeitsverhältnissen mit Hausangestellten § 622 Abs. 2 BGB keine Anwendung findet. Bei diesen Arbeitsverhältnissen bleibt es, auch wenn sie über mehrere Jahre fortgesetzt werden, bei der ursprünglichen Kündigungsfrist.

Was ist passiert?

Die Klägerin war seit 01.02.2006 als Haushaltshilfe im Privathaushalt des Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis beidseitig unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden kann.

Am 31.01.2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Grund hierfür war eine Krankmeldung der Klägerin, die der Beklagte als versuchte Erschleichung eines unbezahlten Urlaubs interpretiert hat. Die Klägerin war der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. März 2018, sondern erst zum 31 Juli 2018 beendet wurde. Grund dafür war die Verlängerung der Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 2 BGB auf 5 Monate zum Ende des Kalendermonats wegen zwölfjährigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses.

BAG: Fristlose Kündigung unwirksam; Arbeitsverhältnis dennoch beendet.

Das BAG hat entschieden, dass die ausgesprochene fristlose Kündigung zwar unwirksam gewesen sei, weil kein Kündigungsgrund vorgelegen habe. Dennoch endete das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2018, weil die fristlose Kündigung im Wege der Umdeutung in eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der vereinbarten Frist von sechs Wochen zum Ende des Quartals interpretiert werden könne. Die Verlängerung der Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 2 BGB lehnte das BAG ab. Diese Norm gelte nicht für Arbeitsverhältnisse, auf deren Grundlage ausschließlich Leistungen im privaten Haushalt des Arbeitgebers erbracht werden. Nach § 622 Abs. 2 BGB gelten verlängerte Kündigungsfristen, wenn das Arbeitsverhältnis „in dem Betrieb oder Unternehmen“ für eine bestimmte Zeit bestanden habe. Die Arbeitsverhältnisse – wie das zwischen der Klägerin und dem Beklagten im vorliegenden Fall – seien aber von der Anwendung dieser Vorschrift ausgenommen. Hierfür sprächen der Wortlaut, Systematik und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

Privater Haushalt ist kein Unternehmen

Das BAG führte aus, ein privater Haushalt sei weder ein Unternehmen noch falle er unter den allgemeinen Betriebsbegriff. Zudem sei ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag allein für seinen Privathaushalt abschließt, kein Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB.

Arbeitsschutzvorschriften teilweise nicht anwendbar

Dass eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der Arbeitnehmerschutzvorschriften grundsätzlich zulässig ist, zeige sich bereits am Beispiel der §§ 1 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und 17 Abs. 1 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Eine solche Einschränkung sei auch beim § 622 Abs. 2 BGB vorzunehmen. Der Umstand, dass dieser, anders als die Normen des ArbSchG und ASiG, diese Arbeitsverhältnisse nicht explizit aus dem Anwendungsbereich ausschließe, spreche nicht dagegen.

Keine Verfassungsrechtlichen Bedenken

Die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB verstoße weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Eine solche Auslegung führe zwar bei länger beschäftigten Arbeitnehmern zu einer unterschiedlichen Länge der Kündigungsfrist, die davon abhänge, ob sie ausschließlich in einem privaten Haushalt oder in einem Unternehmen arbeiten. Es könne ebenfalls unterstellt werden, dass die Beschäftigung von Frauen in privaten Haushalten signifikant überwiege und die Ungleichbehandlung insoweit eine mittelbare Benachteiligung der Frauen bewirke. Die Nichteinbeziehung der Arbeitsverhältnisse von Hausangestellten in den Geltungsbereich des § 622 Abs. 2 BGB sei aber nach Auffassung des BAG durch gewichtige objektive Gründe gerechtfertigt. Zwischen den Arbeitnehmern in privaten Haushalten und denjenigen, die in einem Unternehmen ihre Arbeitsleistung erbringen, seien objektive und diskriminierungsfreie Unterschiede von einem solchen Gewicht gegeben, dass eine unterschiedliche Ausgestaltung der Kündigungsfristen gerechtfertigt ist.

Weiterbeschäftigung im Unternehmen in der Regel zumutbar

Das Gesetz gehe davon aus, dass ein ordentlich gekündigtes Arbeitsverhältnis grundsätzlich bis zum Fristende auch dann, wenn die verlängerte Kündigungsfrist gilt, als Austauschverhältnis aufrecht erhalten bleiben könne. Eine erhebliche wirtschaftliche Belastung stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, weil der Arbeitgeber für die Dauer der Kündigungsfrist die Arbeitsleistung des gekündigten Arbeitnehmers als äquivalente Gegenleistung erhalte. Eine erheblich wirtschaftliche Belastung sei allerdings dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber eine sinnvolle Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Fristende nicht möglich oder zumutbar sei. Wird ein außerhalb eines Privathaushalts durchgeführtes Arbeitsverhältnis von einer Vertragspartei ordentlich gekündigt, sei regelmäßig von der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ende einer ggf. auch verlängerten Kündigungsfrist auszugehen.

Privater Bereich besonders schutzwürdig

Die Lage sei aber bei Beschäftigung im privaten Haushalt anders. Hier sei die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer gem. § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfrist nicht zumutbar. Die Arbeitsleistungen von Hausangestellten sei nämlich – anders als in Unternehmen – regelmäßig durch eine besondere Nähe des Arbeitnehmers zur privaten Lebensführung des Arbeitgebers und seinen Familienangehörigen gekennzeichnet. Hier werde die Arbeitsleistung in dem persönlichen vom Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG umfassten Rückzugsraum des Haushaltsinhabers erbracht. Wenn die tatsächliche Beschäftigung des Hausangestellten für die Dauer der Kündigungsfrist aus besonders geschützten Gründen unzumutbar sei, bliebe diesem Arbeitgeber allenfalls eine Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung. Dies führe allerdings zu einer groben Äquivalenzstörung und damit zu einer beträchtlichen wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Ausklammerung der Haushaltsarbeitsverhältnisse zum Schutz des privaten Rückzugsraums sei daher auf gewichtige objektive Gründe gestützt, die mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nichts zu tun hätten.

Kein Verstoß gegen das Unionsrecht

Das BAG hat die Frage, inwieweit der Anwendungsbereich des Unionsrechts durch seine Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB eröffnet sei, unbeantwortet gelassen. Selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet wäre, wäre nach Auffassung des BAG die in Betracht kommende mittelbare Benachteiligung von weiblichen Hausangestellten durch ein rechtmäßiges Ziel erforderlich, sachlich gerechtfertigt und angemessen. Die Grundrechtecharta sehe nämlich im Einklang mit Art. 8 EMRK in ihrem Art. 7 vor, dass jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und ihrer Wohnung habe. Insoweit könne der Arbeitgeber in einem privaten Haushalt auch nach dem Unionsrecht einen besonderen Grundrechtsschutz beanspruchen, der über den Schutz deutlich hinausgeht, den Betriebs-, Geschäfts- oder Arbeitsräume genießen.

Fazit

In der hier vorliegenden Konstellation war die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende verhältnismäßig lang. Das Ausmaß der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt sich in aller Deutlichkeit bei einem Vergleich zwischen der in § 622 Abs. 1 BGB vorgesehenen Frist von vier Wochen und der maximal möglichen Frist des § 622 Abs. 2 BGB von sieben Monaten bei einer Beschäftigung von 20 Jahren. Aufgrund dieser Diskrepanz könnte sich zunächst der Gedanke aufdrängen, dass der Schutz der ohnehin in der Regel sozial schwächeren Arbeitnehmer, die in privaten Haushalten beschäftigt werden, zu kurz kommt. Dem kann aber entgegen gehalten werden, dass diese Arbeitnehmer heutzutage in der Regel ohnehin in mehreren Haushalten tätig sind. Zum anderen wäre bei einer Überregulierung eine Abwanderung in die Schwarzarbeit zu befürchten.

Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Sie entspricht der aktuellen Rechtslage und unterstreicht zurecht den Umstand, dass der private Haushalt aufgrund seiner Funktion als Rückzugsort einen besonderen Schutz verdient.

Autor dieses Beitrags:

Radoslaw Kleczar, Rechtsanwalt


Alle Ansprechpartner im Arbeitsrecht und Datenschutzrecht finden Sie HIER.