Die Probezeit ist für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen eine spannende Phase. Beide Seiten prüfen, ob die Zusammenarbeit funktioniert und ob die gegenseitigen Erwartungen erfüllt werden. Doch was passiert, wenn Zweifel an der Eignung bestehen und der Arbeitgeber die Probezeit nicht einfach als „nicht bestanden“ bewerten möchte, sondern dem Mitarbeiter noch eine Chance zur Bewährung geben will? Häufig besteht dann der Wunsch nach einer rechtssicheren Verlängerung der Probezeit. Mit dieser Konstellation hat sich das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) im Urteil vom 29.04.24 (8 Sa 1057/23) befasst und es zeigt sich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer flexible Lösungen finden können, um die Probezeit faktisch zu verlängern.
Das sorgt zwar für Gestaltungsspielraum, wirft aber auch Fragen auf: Wo verläuft die Grenze zwischen einer fairen Bewährungschance und einer Umgehung des Kündigungsschutzes?
Die Klägerin war seit dem 01.01.2023 bei der Beklagten als Abteilungsleiterin im Bereich der Bauverwaltung und Liegenschaftsmanagement tätig. Kurz vor Ablauf der Probezeit kam der Arbeitgeber zu dem Schluss, dass die Arbeitnehmerin ihre Führungsaufgaben nicht in ausreichendem Maße erfülle. In einem Gespräch kündigte er an, das Arbeitsverhältnis zum Ende der Probezeit zu beenden.
Infolgedessen legte die Klägerin einen Maßnahmenplan vor, mit dem sie ihre Leistungen und Führungsqualitäten verbessern wollte. Der Arbeitgeber stellte ihr sodann zur Wahl: Die bereits angekündigte Kündigung zum Ende der Probezeit oder eine Kündigung mit sechsmonatiger Frist zum 31.12.2023 mit Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung bei erfolgreicher Bewährung.
Die Klägerin akzeptierte die letztere Option. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis schließlich nach Anhörung des Personalrats zum Jahresende. Dagegen erhob die Arbeitnehmerin Klage, blieb jedoch sowohl vor dem Arbeitsgericht Offenbach als auch in der Berufung vor dem LAG Hessen ohne Erfolg.
Das LAG Hessen wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung. Nach Ansicht des Gerichts kann eine Kündigung kurz vor Ablauf der Probezeit zwar treuwidrig sein, wenn dadurch der Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes verhindert werden soll. Im konkreten Fall sah das Gericht allerdings eine andere Situation: Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Eignung der Klägerin und räumte ihr gleichzeitig eine echte Bewährungsmöglichkeit ein.
Die RichterInnen werteten dies nicht als Rechtsmissbrauch, sondern als faire Chance für die Arbeitnehmerin. Entscheidend sei, dass die Umstände klar erkennen lassen, dass nicht die Umgehung des Kündigungsschutzes, sondern die Aussicht auf eine Bewährung im Vordergrund stehe. Eine ausdrückliche Wiedereinstellungszusage sei nicht erforderlich.
Auch die gewählte sechsmonatige Kündigungsfrist hielt das Gericht für sachgerecht. Angesichts der fehlenden Führungserfahrungen der Klägerin und erheblicher Spannungen im Team war ein längerer Zeitraum für die Umsetzung ihres Maßnahmenplans notwendig gewesen. Diese Frist war dafür weder überzogen noch missbräuchlich.
Auch wenn die Probezeit formal nicht verlängert werden kann, verdeutlicht das Urteil des LAG Hessen, dass Arbeitgeber dennoch Gestaltungsspielräume haben. Wird kurz vor Ende der Probezeit deutlich, dass Zweifel an der Eignung bestehen, ist eine Kündigung mit einer verlängerten Frist ein sinnvoller Weg, um Mitarbeitern eine faire Chance zur Bewährung einzuräumen.
Wichtig ist dabei:
Bei Beachtung dieser Hinweise können Arbeitgeber Mitarbeitern, die die Probezeit im ersten Angang nicht bestanden haben, auf rechtssichere Weise eine zweite Chance geben, von sich zu überzeugen.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Inga Leopold und stud. iur. Henning Hölting
Kurt-Schumacher-Str. 22
53113 Bonn
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