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BAG: Versetzung auch ins Ausland möglich!

23. Dezember 2022

BAG: Versetzung auch ins Ausland möglich!

Viele Arbeitsverträge beinhalten Versetzungsklauseln, wonach Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens auch an andere Standorte und in andere Betriebe versetzt werden können. Solche Versetzungen müssen sich im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers i.S.v. § 106 Gewerbeordnung (GewO) bewegen und daher billigem Ermessen entsprechen. Bislang wurde allgemein angenommen, dass dies nur für innerdeutsche Versetzungen gilt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 30. November 2022 – 5 AZR 336/21 jedoch entschieden, dass sogar eine Versetzung ins Ausland zulässig sein kann.

Der Fall

Der Kläger ist Pilot bei einem international tätigen Flugunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland. Stationiert war der Kläger am Flughafen Nürnberg. Gemäß einer Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag des Klägers konnte dieser auch an anderen Orten stationiert werden. Davon machte der Arbeitgeber des Klägers Gebrauch und versetzte ihn an den Standort Bologna (Italien), weil die Homebase der Airline in Nürnberg aufgegeben werden sollte. Hilfsweise wurde vom Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausgesprochen. Zwar nahm der Kläger die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung an, jedoch klagte der Pilot gegen die Versetzung ins Ausland.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO auch die Versetzung eines Arbeitnehmers ins Ausland umfasse, sofern arbeitsvertraglich kein bestimmter inländischer Arbeitsort fest vereinbart sei. Aus dem Gesetz ergebe sich keine räumliche Begrenzung des Weisungsrechts auf innerdeutsche Arbeitsorte. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts hielt die Versetzung auch den Anforderungen des billigen Ermessens stand, da die Möglichkeit, den Kläger am Standort in Nürnberg zu stationieren durch die Aufgabe der dortigen Homebase entfallen war. Auf die Änderungskündigung komme es nicht mehr an, da bereits die Versetzung wirksam sei.

Welche Auswirkungen hat das Urteil für die Praxis?

In vielen Arbeitsverträgen ist kein Arbeitsort festgelegt. Damit obliegt die Festsetzung des Arbeitsortes dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Bislang wurde einhellig davon ausgegangen, dass sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Daher hat das Urteil weitreichende Auswirkungen auf die sich ohnehin zunehmend internationalisierende Arbeitswelt.

Aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts geht hervor, dass eine Versetzung ins Ausland im konkreten Einzelfall arbeitsvertraglich zulässig und für den konkreten Arbeitnehmer zumutbar sein muss. Daraus ergibt sich, dass die Interessen des Arbeitgebers einzelfallbezogen mit denen des Arbeitnehmers abgewogen werden müssen.

Der hier besprochene Fall ist sicherlich nicht auf jedes Arbeitsverhältnis übertragbar, insbesondere da von Piloten allgemein eine besonders hohe Flexibilität erwartet werden kann. Dies wird aber auch für andere Berufsgruppen zutreffen, so dass sich im Einzelfall in jedem Fall eine Überprüfung lohnt, ob eine Versetzung an einen ausländischen Standort in Betracht gezogen werden kann.

Interessant an der Entscheidung ist noch, dass das BAG die Interessen des Klägers für gewahrt hielt, obwohl ihm aufgrund der Versetzung nur noch etwa die Hälfte seines monatlichen Entgelts von bislang 11.726,22 Euro brutto zusteht. In Italien findet der bislang geltende Vergütungstarifvertrag nämlich keine Anwendung. Das BAG ist jedoch der Auffassung, dass die Weisung der Airline das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt nicht tangiere und daher einer Versetzung nicht im Wege stehe. Der tarifliche Sozialplan enthalte eine Regelung, wonach Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, inklusive der dortigen Tarifgehälter, weiterbeschäftigt werden. Die geringere Vergütung liege also ausschließlich am beschränkten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrages und stelle daher keine unzumutbare Benachteiligung des Klägers dar.

Rechtsanwalt, Fachanwältin Inga Leopold und stud. iur. Maike Usadel