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Ausblick: Worauf sich Arbeitgeber in Sachen Whistleblowing einstellen müssen

10. Oktober 2022

Ausblick: Worauf sich Arbeitgeber in Sachen Whistleblowing einstellen müssen

Worum geht es?

Der Gesetzgeber hätte bis zum 17.12.2021 die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzen müssen. Die Richtlinie bezweckt den Schutz natürlicher Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen (sog. hinweisgebende Personen).

Mittlerweile liegt ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung für die Umsetzung der Richtlinie vor, der Ende September im Rahmen der 1. Lesung im Bundestag beraten und im Nachgang an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen wurde. Auch wenn das Gesetz also noch nicht final verabschiedet wurde, ist damit zu rechnen, dass für die meisten Unternehmen und Organisationen kurz- bzw. mittelfristig Handlungsbedarf entstehen wird.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Dem Entwurf zufolge wird für „Beschäftigungsgeber“ mit mindestens 50 Mitarbeitenden Handlungsbedarf bestehen. Sie sollen ab dem 17.12.2023 dazu verpflichtet werden eine interne Meldestelle einrichten. Für Beschäftigungsgeber mit mindestens 250 Mitarbeitenden soll dies bereits sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten.

Unter den Begriff der „Beschäftigungsgeber“ fallen:

  • juristische Personen des Privatrechts wie der eingetragene Verein, die eingetragene Genossenschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts;
  • juristische Personen des öffentlichen Rechts,
  • rechtsfähige Personengesellschaften und
  • sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen.

Unabhängig von der Mitarbeiteranzahl müssen Unternehmen aus „störanfälligen“ Bereichen (z. B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder Kapitalverwaltungsgesellschaften, abschließende Auflistung in § 12 Abs. 3 HinSchG-E) eine interne Meldestelle einrichten.

Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten können die freiwillige Implementierung interner Hinweisgeberstrukturen erwägen, um präventiv reputationsgefährdende externe Meldungen zu vermeiden. Der Schutz für hinweisgebende Personen gilt auch für externe Meldungen, so dass es durchaus sinnvoll sein kann, den Mitarbeitern kleinerer Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Rechtsverstöße an eine interne Stelle zu melden.

Was ist zu tun?

Wenn das Gesetz im Wesentlichen so in Kraft tritt, wie es der Entwurf aktuell vorsieht, dann müssen die o.g. Unternehmen/Vereinigungen sich rechtzeitig damit auseinandersetzen, in welcher Form sie eine interne Meldestelle einrichten.

Mit den Aufgaben der internen Meldestelle kann ein Mitarbeiter beauftragt werden, solange dieser unabhängig ist, also bei Wahrnehmung seiner sonstigen Aufgaben nicht in einen Interessenskonflikt gerät und die notwendige Fachkunde zur Annahme der Meldungen aufweist. In der Regel wird eine Fortbildung oder der Besuch von Schulungen erforderlich sein und die Wahrnehmung der Aufgaben der Meldestelle bindet natürlich Kapazitäten. Es wird daher gerade in kleineren und mittleren Unternehmen sinnvoll sein, eine externe Ombudsperson mit den Aufgaben der Meldestelle zu betrauen. In Betracht kommen hier externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter.

Was droht bei Verstößen gegen das Hinweisgeberschutzgesetz?

Versäumen Beschäftigungsgeber die Einrichtung interner Meldekanäle nach den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes, so kann dies mit einem Bußgeld von bis zu 20.000 Euro geahndet werden.

Darüber hinaus sind Verletzungen der Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgeber und betroffenen Personen mit Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro im Einzelfall behaftet.

Wie muss eine interne Meldestelle ausgestaltet sein?

Die interne Meldestelle muss Beschäftigten sowie Leiharbeitnehmenden und kann sonstigen natürlichen Personen – wie beispielsweise Lieferanten, Kunden oder deren Mitarbeitenden – zur Verfügung stehen.

  • Die Meldestelle muss Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Wenn der Hinweisgeber dies wünscht, muss auch ein persönliches Treffen in angemessener Zeit ermöglicht werden.
  • Es besteht keine Pflicht zur Ermöglichung anonymer Hinweise; aber die Möglichkeit dazu, § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG-E
  • Die Meldestelle muss prüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des § 2 HinSchG fällt
  • Sie muss Kontakt mit der hinweisgebenden Person halten, ggf. um weitere Information ersuchen und die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung prüfen
  • Erforderlich ist eine Eingangsbestätigung der Meldung spätestens nach sieben Tagen, § 17 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-E
  • Folgemaßnahmen (z. B. interne Untersuchung, Einstellung Untersuchung, Weiterleitung Informationen an Behörden) müssen ggfs. ergriffen werden, § 17 Abs. 1 Nr. 6, § 18 HinSchG-E
  • Der Hinweisgeber muss über geplante und/oder bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie Gründe für diese innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung eine Rückmeldung erhalten, § 17 Abs. 2 HinSchG-E
  • Gemäß § 16 Abs. 2 HinSchG-E sind die Meldekanäle so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben.

Welche Meldegegenstände gibt es?

Das Hinweisgeberschutzgesetz betrifft Meldungen über die folgenden Gegenstände:

  • Verstöße, die strafbewehrt sind, also Straftaten.
  • Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib und Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (z.B. Betriebsrat) dient.
  • Verstöße gegen nationale oder europäische Rechtsakte in ausdrücklich aufgelisteten Rechtsbereichen (z. B. im öffentlichen Auftragswesen oder Umweltrecht).

Wie werden Hinweisgeber geschützt?

Die Voraussetzungen für den Schutz der hinweisgebenden Person regeln die §§ 33 ff. HinSchG-E.

Danach ist eine hinweisgebende Person geschützt, wenn

  • diese eine „interne“ oder „externe Meldung“ erstattet hat, im Ausnahmefall wird auch eine Offenlegung geschützt,
  • die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.

Die Meldung oder Offenlegung derartiger Informationen darf keine ungerechtfertigten Repressalien wie Disziplinarmaßnahmen, eine Kündigung oder sonstige Diskriminierungen für die hinweisgebende Person nach sich ziehen. Außerdem wird eine Beweislastumkehr für den Nachweis einer solchen Benachteiligung und ein Schadensersatzanspruch des Hinweisgebers bei einem Verstoß des Arbeitgebers für arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen normiert. Wird gegen einen Hinweisgeber also nach einem Hinweis arbeitsrechtlich vorgegangen, wird zu dessen Gunsten vermutet, dass die arbeitsrechtliche Maßnahme (Kündigung, Abmahnung) wegen seines Hinweises ausgesprochen wurde. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass zwischen der arbeitsrechtlichen Maßnahme und der Meldung von Missständen kein Zusammenhang besteht.

Sind externe Meldungen trotz Einrichtung einer internen Meldestelle möglich?

Ja. Hinweisgebende Personen haben ein freies Wahlrecht, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle der Behörden werden. Hierfür soll eine zentrale externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden. Daneben sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden.

Wie geht es nun weiter?

Mit der Verabschiedung des Gesetzes wird im 4. Quartal 2022 gerechnet. Wir werden den Gesetzgebungsprozess weiter im Auge behalten und an dieser Stelle darüber informieren.

Rechtsanwältin Inga Leopold und stud. iur. Maike Usadel