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Ab dem 01. November 2021 keine Entschädigung mehr bei Quarantäne für Ungeimpfte

19. Oktober 2021

Ab dem 01. November 2021 keine Entschädigung mehr bei Quarantäne für Ungeimpfte

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn. Hiervon gibt es einige Ausnahmen. Dazu gehört beispielsweise, dass Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt nicht arbeiten können, Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu einer Dauer von 6 Wochen haben. Weiterhin steht Arbeitnehmern im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 IfSG) gegen den Staat zu. Dieser Anspruch besteht – in Höhe des regelmäßigen Entgelts – ebenfalls für die Dauer von 6 Wochen. Sollte die Quarantäne länger als sechs Wochen dauern, reduziert sich der Anspruch auf 67%. Üblicherweise zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung nach dem IfSG an den betroffenen Beschäftigten aus und beantragt sodann die Erstattung bei der zuständigen Landesbehörde.

Ab dem 1. November 2021 wird allerdings nicht mehr uneingeschränkt jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Kompensation des Verdienstausfalls während einer behördlich angeordneten Quarantäne haben:

Ende des Entschädigungsanspruchs für Ungeimpfte

Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat am 22. September 2021 beschlossen, dass Ungeimpfte ab dem 1. November 2021 keinen Entschädigungsanspruch während einer behördlich angeordneten Quarantäne mehr haben sollen. Als Begründung wird angeführt, dass mittlerweile jeder ein kostenloses Impfangebot erhalten hätte. Daher sei die Quarantäne vermeidbar und nicht zumutbar, dass die Allgemeinheit für die Lohnausfall aufkommen müsse.

Gesetzliche Grundlage ist § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG, nachdem kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den während der Quarantäne erlittenen Verdienstausfall besteht, sofern die Quarantäne durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet, hätte vermieden können.

Vereinzelt hatten einige Bundesländer eine entsprechende Regelung bereits angekündigt bzw. umgesetzt, so dass der Bund eine gemeinsame Lösung anstrebte. So hat NRW die Entschädigungszahlungen für Ungeimpfte beispielsweise bereits zum 11. Oktober 2021 eingestellt. Ab dem 01.11.2021 werden nun bundeseinheitliche Regeln gelten.

Wichtig: Trennung von Vergütungs-, Entgeltfortzahlungs-, und Entschädigungsanspruch

Zu beachten ist, dass Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Vergütungs- bzw. Entgeltfortzahlung unabhängig vom Impfstatus trotz Anordnung einer Quarantäne in den folgenden Fällen nicht verlieren:

  • Kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung trotz Quarantäne erbringen (z.B. im Home-Office), bleibt sein Anspruch auf Vergütung selbstverständlich erhalten.
  • Ist der Arbeitnehmer während der Quarantäne arbeitsunfähig erkrankt – ob an COVID-19 oder einer anderen Krankheit-, so erhält er Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Quarantäne wirkt sich dann nicht auf den Entgeltfortzahlungsanspruch aus.

Nicht tangiert ist außerdem der Anspruch auf Entschädigung im Falle einer behördlich angeordneten Isolierung, also dann, wenn der Mitarbeiter nachweislich mit Sars-Cov-2 infiziert und deshalb in häusliche Absonderung geschickt wird. Geht die Infektion mit einer Erkrankung an COVID-19 einher, greift wieder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Häufig liegt jedoch nur eine Infizierung, jedoch keine Erkrankung vor. Kann der Mitarbeiter dann während der Isolation nicht (z.B. vom Homeoffice aus) arbeiten, enthält er unabhängig vom Impfstatus die Entschädigung nach dem IfSG.

Welche Auswirkungen hat die Gesetzesänderung auf die arbeitsrechtliche Praxis?

Für Arbeitgeber stellen sich in diesem Kontext vor allem drei Fragen:

  • Sind Geimpfte und Genesene nicht sowieso von der Quarantänepflicht nach dem Kontakt mit einer infizierten Person befreit?

Grundsätzlich ist das richtig, im Regelfall müssen Geimpfte nur dann verpflichtend zu Hause bleiben, wenn sie selbst positiv auf Sars-Cov-2 getestet werden (Isolation), nicht aber nach einem bloßen Kontakt mit einer infizierten oder ansteckungsverdächtigen Person (Quarantäne). Es würde dennoch zu kurz greifen, bei jedem Mitarbeiter, der eine Quarantäneanordnung vorlegt, davon auszugehen, dass er nicht geimpft ist. Auch Geimpfte/Genesene müssen sich beispielsweise dann in Quarantäne begeben, wenn sie Kontakt zu einer mit der Beta- oder Gamma-Variante infizierten Person hatten.

  • Sollte/darf künftig der Impfstatus erfragt werden, wenn ein Mitarbeiter mit Verweis auf eine Quarantäne nicht arbeitet? Steht da nicht der Datenschutz entgegen?

Ja, der Impftstatus sollte und darf zumindest dann abgefragt werden, wenn der Beschäftigte Anspruch auf die Entschädigungsleistung des § 56 IfSG erhebt. Die Zahlung erhält der Arbeitgeber nur dann erstattet, wenn der Arbeitnehmer entweder geimpft (oder genesen) ist oder durch ein ärztliches Attest nachweist, dass die Impfung für ihn nicht empfohlen wird. Entsprechend hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung des Impfstatus bzw. des Attests, das von einer Impfung abrät. Es handelt sich dabei zwar um besonders geschützte Gesundheitsdaten nach Art. 9 DS-GVO; da der Arbeitgeber die Angaben aber benötigt, um die Auszahlung der Entschädigung ordnungsgemäß abwickeln zu können, liegen auch nach Ansicht einiger Datenschützer (vgl. z.B. das Positionspapier des Landesbeauftragten für Datenschutz in Baden-Württemberg) ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Arbeitgeber nach diesen Daten fragen darf.

  • Haben Arbeitnehmer unabhängig von der staatlichen Entschädigung für die Zeit der Quarantäne einen Zahlungsanspruch, z.B. über § 616 BGB?

Das ist noch nicht abschließend geklärt. Manche Stimmen vertreten die Auffassung, dass eine Quarantäne auch über § 616 BGB abgedeckt sein kann. Das würde bedeuten, dass der Arbeitgeber die Vergütung unabhängig von der staatlichen Entschädigungsleistung und auch unabhängig vom Impfstatus fortzahlen müsste. Doch § 616 BGB greift nur dann, wenn der Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ an der Arbeitsleistung gehindert ist. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang Arbeitsverhinderungen von wenigen Stunden bis zu wenigen (2-5) Tagen. Eine zweiwöchige Quarantäne ist mit Sicherheit keine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ mehr. In der Folge entfällt der Vergütungsanspruch komplett (und ist nicht etwa auf die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ begrenzt). § 616 BGB ist im Übrigen in vielen Arbeitsverträgen ausgeschlossen. Das ist wirksam möglich und vermeidet die Diskussion darüber, welche Ausfallzeiten erfasst sind.

Aus der Rechtsprechung – Verwaltungsgericht Koblenz zur „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat in diesem Zusammenhang ein durchaus kritisch zu würdigendes Urteil zum Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der Entschädigungszahlung erlassen. Danach habe der Arbeitgeber nur dann Anspruch auf Erstattung von Entschädigungszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen, wenn die aufgrund der Absonderung eingetretene Dauer der Arbeitsverhinderung über eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ hinausgehe (VG Koblenz, Urteil vom 10.5.2021 – 3 K 108/21.KO). Soweit so eingängig: Hat der Arbeitnehmer über § 616 BGB einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts , kann er nicht gleichzeitig einen Anspruch auf die Entschädigung nach dem IfSG haben. Überraschend an der Entscheidung ist, dass die Koblenzer Verwaltungsrichter davon ausgegangen sind, dass eine 14 Tage andauernde Arbeitsverhinderung noch als „nicht erhebliche Zeit“ einzuordnen sei.

Aktuelle arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu der Thematik sind noch nicht veröffentlicht worden. Es wäre aber sehr überraschend und im Ergebnis unbillig, wenn Arbeitsgerichte dem Arbeitgeber das Entgeltrisiko für ungeimpfte Beschäftigte auferlegen würden, die für einen Zeitraum von 14 Tagen quarantänebedingt nicht arbeiten können.


Rechtsanwältin Inga Leopold und stud. iur. Maike Usadel